Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Mittelſpecht. Kleinſpecht. 625

weißem Grunde mit 3 ſ{hwarzen Querbinden gezeihnet, wogegen die zweite nur an der Außenfahne und in der Endhälfte der inneren weiß iſt, hier aber ſhwarze Querbinden zeigt und bei der dritten das Weiß ſi< auf die Spiße beſhränkt. Das Auge iſt rot, der S@hnabel bläulih-hornſhwarz, der Fuß bleigrau. Dem Weibchen fehlt das Rot auf dem Scheitel, der wie der Vorderkopf bräunlihweiß iſt. Junge Vögel unterſcheiden ſih von der Mutter durch die ſ<hmugig roſtbräunlih-weiße Unterſeite und zeichnen ſi<h dadur< beſonders aus, daß niht allein die Männchen, ſondern auh die Weibchen eine rote Kopfplatte zeigen. Bei dem jungen Männchen iſt der karminrote Fle>en größer als bei dem jungen Weibchen, bei leßterem auch weniger leu<htend. Von Woche zu Woche wird bei dieſem das Rot kleiner, und in ungefähr 4 Wochen iſt es gänzlich verſ<hwunden; bei dem jungen Männchen dagegen bleibt es unverändert. Die Länge beträgt 16, die Breite 30, die Fittichlänge 7, die Shwanzlänge 6 cm.

Das Verbreitungsgebiet des Kleinſpechtes dehnt ſi<h mindeſtens ebenſo weit aus wie das des Buntſpechtes. Denn ex bewohnt ganz Europa von Lappland an bis zum äußerſten Süden und ebenſo Mittelaſien bis ins Amurland, findet ſi<h auch, abweichend vom Buntſpechte, no< in den Waldungen Nordweſtafrikas. Einzelne Naturforſcher ſehen zwar den in Oſiſibirien lebenden Kleinſpeht als beſondere Art an, weil das Weiß auf dem Rücken aus8gedehnter zu ſein pflegt als bei den bei uns lebenden Stü>en; dies aber bezieht ſih auf alle ſibiriſhen Vögel insgemein und berechtigt {{hwerli< zu einer Trennung dieſer und jener Kleinſpehte. Der beliebteſte Wohnbaum des Vogels iſt die Weide. Demgemäß bewohnt ex alle Gegenden, in denen dieſer Baum vorkommt, in beſonderer Häufigkeit Strominſeln, die mit Weiden beſtanden ſind. Schon Radde bemerkt für Oſtſibirien, daß der Kleinſpecht die Hohwaldungen meidet, junge und Stangenhölzer ihnen vorzieht, Eſchengehölze und Pappelbeſtände vornehmlihh liebt, niht weniger aber die mit Weiden ſtark bewachſenen Jnſeln der Ströme bevölkert, und Elwes ſagt ganz in Übereinſtimmung hiermit, daß er der gemeinſte Specht Macedoniens ſei und in ſumpfigen Waldungen von Ellern und Weiden häufiger als in allen übrigen auſtritt. Wir fanden dieſe Angaben auf unſerer Reiſe nah Weſtſibirien in vollſtem Umfange beſtätigt. Da, wo der gewaltige Db ſih in unendliche Arme teilt und mit dieſen mehr oder minder große, mit älteren und jungen Weiden beſtandene JFnſeln bildet, tritt der Kleinſpeht häufiger als jeder andere auf und darf ſtellenweiſe thatſählih zu den gemeinen Vögeln gezählt werden. Fn der That entſpreehen Weiden und ſonſtige weihholzige Bäume am beſten ſeinen ſ<hwachen Kräften, und wenn er auch in anderen, namentlih Buchen, ebenfalls ſeine Niſthöhle anlegt, geſchieht dies doh nur dann, wenn ſtark vermorſhte Stämme oder Äſte es ihm geſtatten. Hierdurch erklärt ſi ſein vereinzeltes Vorkommen in Europa.

In Deutſchland iſt er in ebenen Gegenden, die reih an Weiden und Buchen ſind, eine gewöhnliche Erſcheinung, entzieht ſih aber meiſt dem Auge des Beobachters. Oberförſter Seeling wurde, wie E. von Homeyer mir erzählte, von einem Freunde gebeten, ihm Kleinſpechte zu ſenden. Der Forſtmann hatte bis dahin in ſeinem aus Buchen, Eichen und Kiefern gemiſchten Forſte den Vogel nur einzeln geſehen und daher für ſehr ſelten gehalten, gab aber nunmehr, um den Wunſch des Freundes zu erfüllen, den ihm unterſtellten Forſtbeamten Auftrag, auf den Specht und ſeine Neſter zu achten. Fnfolgedeſſen wurden ihm binnen 2 Tagen 20 Kleinſpechte eingeliefert. So mag es auch in anderen ausgedehnten Waldungen der norddeutſchen Ebene ſein. Jm Gebirge dagegen tritt der Kleinſpecht ſtets ſelten auf. Auch er iſt mehr Stand- als Strichvogel. Da, wo ex überhaupt brütend gefunden wird, trifft man ihn während des ganzen Jahres an; aber es kommt doch vox, daß er von den Ebenen aus den Fuß der Mittelgebirge zeitweilig beſucht, alſo ſtreicht. Dies geſchieht regelmäßig in den Herbſt- und Frühlingsmonaten, vom September und Oktober an

Brehm, Tierleben. 3, Auflage. ITY. 40