Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

626 Erſte Ordnung: Baumvögel; ahtundzwanzigſte Familie: Spechte.

bis zum April. Den reinen Nadelwald verſhmäht er gänzlich; auh bei ſeinen Streifereien ſucht er immer die Laubbäume auf. Er erwirbt ſi ein beſtimmtes Gebiet und dur(ſtreift es tägli< mehrere Male: dies wird namentli< im Winter bemerklih, wenn das Laub ihn weniger verſte>t als ſonſt. Der Mittelpunkt ſeines Gebietes wird durc eine paſſende Höhlung beſtimmt, weil auch er in einer ſolchen die Nacht zubringt. Deshalb meidet ex auf ſeinem Zuge gänzlih diejenigen Gegenden, welchen es an geeigneten Shlupfwinkeln fehlt. Nah Naumann ſieht er ſih oft genötigt, Meiſen und Feldſperlinge, die derartige Nachtherbergen ebenſo bequem finden wie er, mit Gewalt aus dem Kämmerchen zu vertreiben; denn da er ſpäter zu Bette geht als jene, findet er das Stlafkämmerchen oft ſchon beſeßt und erringt ſih dann niemals ohne Kampf den Einlaß. Es ſcheint, daß er, des heftigen Streites um die Höhlen wegen, zuweilen ſogar genötigt iſt, deren Beſiß aufzugeben und ſich neue anzulegen. |

Dieſer niedliche Specht iſt, wie Naumann ſehr richtig ſagt, einer der munterſten und gewandteſten ſeiner Gattung. Mit großer Leichtigkeit hüpft er an den Baumſchäften hinan, umkreiſt ſie, klettert auh, den Kopf ſtets nah oben, kleine Stre>en rü>wärts und verfolgt Äſte ſelbſt bis auf die fingerſtarken Spißen der Zweige hinaus. Er pi>t und hämmert viel an den Bäumen und iſt im Zimmern der Löcher zu Schlafſtellen oder Neſtern ebenſo geſchi>t wie die größeren Arten, ſucht ſih dazu jedo<h immer weiche Stellen aus. Auf alten Eichen legt er ſolche niht ſelten auf der unteren Seite ſehr ſchiefer oder beinahe wagerechter Hornza>en an. Zuweilen ſett er ſih wie andere Vögel quer auf dünne Zweige, hält ſi<h aber dann nicht ſo aufrecht und zieht dabei die Füße an den Leib. Gegen ſeinesgleichen iſt er ebenſo futterneidiſ<h und zänkiſh wie die übrigen Spechte, weshalb man ihn außer der Fortpflanzungszeit au< immer nur einzeln antrifft. Fn ſeinem Gefolge ſieht mán ebenfalls ſehr oft Kleiber, Meiſen, Baumläufer und Goldhähnchen, die mit ihm herumziehen, aber niht weiter von ihm beachtet werden. Gegen den Menſchen zeigt er ſich zutraulich, läßt ihn wenigſtens nahe an ſih herankommen, bevor ex weiterhüpft oder wegfliegt. Seine Stimme läßt ſi<h dur< die Silbe „kif“ oder „kgiik“ ausdrüden; der Ton iſt hoh, ſ{<wa< und fein und wird lang gezogen. Zuweilen wiederholt er den einen Laut mehrmals nacheinander; namentlich geſchieht dies beim Anhängen an einen Baum, nachdem er eine Strecke fliegend zurü>gelegt hat. Er ſchreit viel, beſonders bei heiterem Wetter, am meiſten natürlih im Frühlinge während der Paarungszeit. Das Männchen ſhnurrt wie andere Spechte, aber viel ſhwächer und in höherem Tone als die größeren Verwandten.

Während der Begattungszeit, die Anfang Mai beginnt, macht ſih der Kleinſpeht dur<h Unruhe, beſtändiges Rufen und Schnurren ſehr bemerklih, und da, wo er häufig iſt, gibt es auch lebhaften Streit zwiſchen Nebenbuhlern, die um die Gunſt eines Weibchens werben, oder zwiſchen zwei Paaren, die um die Niſthöhle kämpfen. Dieſe wird regelmäßig in bedeutender Höhe über dem Boden angelegt, am liebſten in alten, hohen Weiden, Eſpen, Pappeln, Buchen, im Notfalle auh Eichen, ſonſt no< in Garten- und Obſtbäumen; in Pommern, laut E. von Homeyer, ſtets in Buchen, die am Rande von Lichtungen ſtehen und, zum Teil wenigſtens, niht allein dürr, ſondern auh vermorſht und vermulmt ſind. Jhr Bau mag dem kleinen ſ{<wachen Geſellen viel Mühe verurſachen, und deshalb wählt er vorzugsweiſe Stellen, wo ein alter Aſt ausgebrochen und das Jnnere infolge der eindringenden Feuchtigkeit faul geworden iſt. Dex Eingang befindet ſich meiſt in einer Höhe von 15—20 und nur ausnahmsweiſe in einer ſolhen von 1,5—10 m über dem Boden, iſt zirkelrund, als ob er mit einem Bohrer ausgedreht worden wäre, hat höchſtens 4 em im Durchmeſſer und führt in einen Brutraum von 10—12 ecm Weite und 15—18 em Tiefe. Auch der Kleinſpecht fängt viele Niſtlöcher an, ohne ſie zu vollenden, und erſ{hwert dadur< das Auffinden derjenigen, welche wirklih zum Brüten benußt werden. Um dieſe kennen zu lernen,