Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

Eulen: Allgemeines. TAT

das leiſeſte Raſcheln auf dem Boden und ſehen ungeachtet des Dunkels das kleinſte Säugetier. „Jh habe“, ſagt mein Vater, „bei zahmen Eulen, welche die Augen ganz geſchloſſen hatten und alſo völlig ſhliefen, Verſuche über die Feſtigkeit ihres Schlafes angeſtellt und war erſtaunt, als ih erſuhr, wie leicht ſie ſelbſt dur<h ein entferntes, geringes Geräuſch ganz munter und zum Fortfliegen bereit wurden. Jh habe auch die Eulen in ziemlich finſteren Nächten gegen den Himmel fliegen ſehen, in ganz finſteren bald da, bald dort ſchreien hören und bin Zeuge geweſen, daß ein Rauchfußkauz, an welchen ſi< ein ſcharfſichtiger Freund von mir äußerſt ſtill und vorſichtig anſ<hli<h, um ihn von einer Tanne herabzuſchießen, ſogleih wegflog, als der Jäger über eine von Bäumen entblößte Stelle ging.“

Das Auge der Culen iſt niht in dem Maße empfindlih gegen das Tageslicht wie es ſcheint. Einzelne Arten von ihnen verſchließen wohl ihre Augen bis zur Hälfte und noh weiter, wenn ſie dem vollen Lichte ausgeſeßt werden; dies aber geſchieht mehr, um ihre Überraſchung auszudrü>en vielleiht au<, um liſtig Schlaf zu heucheln, als weil ſie die Lichtſtrahlen niht zu ertragen vermögen, und gänzlih unbegründet iſt die Behauptung, daß ſie am Tage nicht ſehen könnten. „Sie ſind“, fährt mein Vater fort, „niht nux im ſtande, bei hellem Tageslicht im Freien, ſondern auh durch die dichteſten Bäume zu fliegen, ohne anzuſtoßen. Jh habe dies bei faſt allen deutſhen Arten bemerkt. Am hellen Mittage kamen die alten Ohreulen herbeigeflogen, wenn ich ihre Jungen ausnahm; am hellen Mittag raubte eine Schleierkauz vom Schloßturme zu Altenburg aus einen Sperling, der mit den Hühnern auf dem Schloßhofe fraß, und trug ihn in ſeinen Schlupfwinkel“; am hellen Tage, will ih hinzufügen, erkennt der Uhu jeden Tagraubvogel, der in ungemeſſener Höhe dahinfliegt.

Daß die Eulen, wenn ſie bei Tage angeſichts eines Menſchen blinzeln, den Störenfried zu täuſchen bezwe>en, dürfte dur<h na<hſtehende Beobachtungen einen hohen Grad von Wahrſcheinlichkeit erhalten. „Sigßt der Baumkauz“, ſo ſchreibt Ad. Walter, „ziemlih ſicher in einem hohlen Baume und ſchaut nur mit dem Kopfe aus der Öffnung ins helle Tageslicht, ſo drüt er niht die Augen zur Hälfte zu, ſondern gloßt den Störenfried mit weit geöffneten Augen an; wird er aber dur<h einen wohlgezielten Wurf herausgetrieben, fo flüchtet er, falls er kann, unter ein Laubdach, läßt nun den Menſchen nahe herankommen und bli>t ihn mit halb geſhloſſenen Augen an. Jm hohlen Baume glaubt er ſih ſicher und hält es niht für nötig, zu täuſchen; unter dem Laubdache fühlt er ſich unſicherer, will den Plaß aber aus Furcht vor dem Gezeter des Kleingeflügels nicht gleich aufgeben und fut ſi< dur< Liſt zu helfen. Eulen, welche die Augen niht zudrücken, gebrauchen ſehr regelmäßig eine andere Art von Verſtellung, indem ſie eine Haltung annehmen, die ſie ſelbſt dem geübten Blicke oft entzieht. Mit einer förmlih ru>weiſen Bewegung preſſen ſie alle Federn diht an den Leib, ſo daß dieſer nicht halb ſo di> erſcheint wie gewöhnli<h, ziehen das Geſicht in die Länge, verſhmälern es und richten es ſeitwärts, gleichzeitig aber auch die Ohren und den ganzen Leib auf, ſoweit ſie können, legen vielleicht no< den einen Flügel hart an den Leib, während ſie den anderen im Schultergelenk ed>ig herausſcieben, und gleichen in dieſer Stellung, in welcher Flügelſpißen, Füße und Schwanz ſi de>en, einem alten, mit Moos und Flechten überſponnenen Aſtknorren auf das genaueſte. In dieſer Weiſe ſtehend, halten ſie lange Zeit aus; haben ſie ſi aber entſchloſſen, zu fliehen, alſo ſi< als Eule zu zeigen, ſo nehmen ſie ſo leicht dieſe Stellung nicht wieder an, ſondern ſeßen früher als andere Eulen ihre Flucht fort.“

Die abſonderlih geſtalteten Flügel und das weiche Gefieder der Eulen laſſen im voraus auf eine eigentümlihe Flugbewegung ſchließen. Der leiſe Flug iſt verhältnismäßig langſam, ein Mittelding zwiſchen Schweben, Gleiten und Flattern, bei einigen Tageulen aber ein abwe<ſelnd bogiges Auſſteigen und Niederfallen nah Art des Spechtfluges, das

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