Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2

78 Erſte Ordnung: Baumvögel; zweiundvierzigſte Familie: Ku>u>e.

Die Baumkuc>u>e (Cuculinae), welche die erſte Unterfamilie bilden kennzeichnen ſih dur kopflangen, ſanft gebogenen, gewöhnlih ziemlih dünnen, an der Wurzel verbreiterten Schnabel, kurze oder höchſtens mittellange, paarzehige Füße, lange, {male und ſpißige Flügel, in welchen die dritte Schwinge die längſte zu ſein pflegt, langen, abgerundeten oder feilförmig zugeſpißten, zehnfederigen Shwanz ſowie endlich dichtes, aber niht beſonders umfangreiches Gefieder, das loſe in der Haut ſit. Die Geſchlechter unterſcheiden ſih hinſichtlih der Färbung in der Regel wenig, die Jungen merklih von den Alten.

Nach den Unterſuchungen von Nißſ< zeichnet ſi< der innere Bau unſeres Kueu>s durch folgende Hauptmerkmale aus. Die Wirbelſäule beſteht aus 12 Hals- 7 Rüten- und 7 Schwanzwirbeln. Von den 7 Rippenpaaren haben 5 Rippenknohen. Das Bruſtbein biegt ſi<h mit ſeinen hinteren Teilen nah außen, das Gabelbein iſt durc ein förmliches Gelenk mit dem Bruſtbeinkamme verbunden; Nebenſchulterblätter fehlen; das Been iſ furz. Mit Ausnahme der Oberſchenkelknochen ſind alle übrigen luftführend. Die hornige Zunge iſt mittellang, ziemlih glei< breit, am Seitenrande und vorn ſcneidend, der Schlund weit und kropflos, der Vormagen mit vielen Schleimdrüſen beſebt, der häutige Magen bedeutender Auftreibung fähig. Die beiden Leberlappen ſind von ungleicher Größe: die Milz iſt winzig klein.

Die Mitglieder dieſer Unterfamilie, etwa 80 an der Zahl, verbreiten \ſi< über die Alte Welt und Auſtralien. Sie ſind in Jndien und Afrika beſonders zahlreich, im Norden aber nur durch eine einzige Art vertreten. Alle, ohne Ausnahme, gehören dem Walde an und entfernen ſi bloß zeitweilig aus der Nähe der Bäume. Soweit der Baumwuchs reicht, finden ſie ſih überall, baumleere Stre>en hingegen meiden ſie gänzlih. Die nordiſchen Arten wandern, die ſüdlicheren ſtreihen höchſtens im Lande auf und nieder. Sie ſind unruhige, ſtürmiſche, flüchtige und ſcheue Vögel, die Geſelligkeit mit ihresgleichen meiden, ſih überhaupt niht gern mit anderen Vögeln zu ſchaffen machen. Raſh durhfliegen ſie ein ziemli<h großes Gebiet, durhſuchen die Bäume, fliegen von ihnen aus auf das erſpähte Tier auh wohl bis zum Boden hinab, ohne ſih jedoch hier niederzulaſſen, und ſtreifen ſo fliegend, freſſend und ſchreiend in ihrem Gebiete auf und nieder. Die Nahrung beſteht faſt ausſ{<ließli<h aus Kerbtieren und insbeſondere aus deren Larven, vor allem aber aus haarigen Raupen, die von den übrigen Vögeln verſhmäht werden. Die Haare dieſer Raupen bohren ſih bei der Verdauung ſo feſt in die Magenwände ein, daß lettere wie behaart ausſehen und zu falſchen Schlüſſen verleitet haben. Den größeren Arten der Familie ſagt man nah, daß ſie kleine Wirbeltiere, Lurche z. B., niht verſhmähen, und alle gelten, vielleicht niht ganz mit Unrecht, als Neſträuber, welche die Eier niht bloß wegnehmen, ſondern auch verſchlingen. Dieſes einigermaßen auffallende Raubgelüſt erklärt ſi<h dur die Fortpflanzung der Ku>ku>ke. Sämtliche Arten der Unterfamilie unterziehen ſi< nämlich der Bebrütung ihrer Eier nicht ſelbſt, ſondern bürden die Pflege ihrer Brut anderen Vögeln auf, indem ſie ihre Eier in deren Neſter legen. Dabei pflegen ſie meiſtens ein Ei aus dem Neſte der erkorenen Pflegeeltern herauszunehmen, und dieſes iſt es, das gelegentlich aud) mit verſhlungen wird. Die Thatſache iſt oft geleugnet worden, unterliegt aber, vielfachen Beobachtungen zufolge, keinem Zweifel. Über die Urſache des Nihhtbrütens hat man ſehr verſchiedene Annahmen aufgeſtellt und zu unterſtüßen geſucht, bis jeßt aber no<h keinen ſ{<lagenden Grund zu entde>en vermocht.

Manchem ſcheint es fraglih, ob wir die Kucku>e als nüßliche oder ſhädlihe Vögel anzuſehen haben. Unbeſtreitbar leiſten ſie große Dienſte dur< Aufzehren der gegen die Angriffe anderer Kerbtierräuber gewappneten haarigen Raupen; aber ebenſo unzweifelhaft verurſachen ſie dur<h das Unterſchieben ihrer Eier einigen Schaden, da die Erziehung eines

Kucku>s regelmäßig bei denjenigen Arten, welche ihre Eier in die Neſter kleinerer Vögel