Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Waldſchnevfe: Verbreitung. Brutgegenden. Zug. 3

Forſcher, „erſcheinen in der Morea die Waldſchnepfen, und zwar anfangs auf denſelben Pläßen, auf welchen der Jäger kurz zuvor noh ergiebige Wachteljagd trieb, nämlich in den He>en und Gebüſchen längs den Dämmen der Abzugskanäle oder auf den felſigen Hügeln, wo ſie ſih hinter Salbei und Myrtengeſträuch verſte>en. Fhre Anzahl iſt eine ungewöhnlih große. Tritt kalte Witterung ein, ſo ziehen ſie ſi<h von den bebuſchten Wieſen weg Und ſind nur in den engen Gebirgsthälern und auf Abhängen der Hügel, die auf der Mittagsſeite liegen, oder an bebuſhten Flußufern aufzufinden.“ Das ſpäte Erſcheinen in den Niederungen hängt, laut A. von Lindermayer, ganz von den Witterungsverhältniſſen ab. Bei herrſhendem Südweſtwinde iſ weder in der Ebene no< in den Vorbergen eine Schnepfe zu finden: „kaum aber ſtürzt ſi<h der Nordwind über die albaneſiſchen Gebirge herab über unſere ſonnigen Ebenen, ſo bringt er auch eine fabelhafte Menge von Schnepfen mit. An ſolchen Tagen werden ſelbſt in der Provinz Attika, deren Bodenbeſchaffenheit doh höchſt ungeeignet erſcheint, Hunderte dieſer ſhönäugigen Vögel erlegt.“ Drei Engländer, die zwiſhen Patras und Pyrgos im Peloponnes jagten, erbeuteten innerhalb 3 Tagen 1000 Schnepfen. Vom Februar an beginnen die Vögel bereits ihren Rückzug. Ungefähr dasſelbe gilt für andere ſüdeuropäiſche und nordweſtaſiatiſhe Länder, alſo für Rumänien, Bulgarien, die Türkei, Kleinaſien, Süditalien und Spanien, wahrſcheinlih auch für Marokko oder die Atlasländer überhaupt. Je nah der im Norden ſtattfindenden Witterung trifft die Schnepfe bei uns zu Lande

früher oder ſpäter im Fahre ein. Ein alter FJägerſpruch trifft ſo ziemlih das rete:

„Neminiscere — nach Schnepfen ſuchen geh’,

Oculi — da fommen ſie,

Lätare — das iſt das wahre,

Judica — ſind ſie au< noch da,

Palmarum — trallarum,

Quaſimodogeniti — halt, Jäger halt, jeht brüten ſie“.

Durchſchnittlih darf man annehmen, daß man von Mitte März an auf durchziehende Schnepfen re<hnen kann. Aber Beſtimmtes kann nicht gegeben werden, weil gerade dieſer Vogel dem Jäger, der ihn auf das genaueſte beobachtet, in jedem Jahre neue Rätſel aufgibt. „Jh habe den Schnepfenſtrih““, ſagt Schauer, „17 Jahre lang in Polen und Galizien faſt täglich befuht, in den leßten 5 Jahren jeden Tag ohne Ausnahme vom erſten bis zum legten April; habe genau Regiſter geführt, und Tag und Stunde, Wärmeund Luſtmeſſer, Anfang und Ende des Striches, die Anzahl der Schnepfen, die geſchoſſen, geſehen, gehört wurden, die Witterung des Tages während des Striches, Wind, Wolkenzug 2c., alles genau beobachtet, und wenn man mir jeßt ſagt: Sie gehen bei dieſem Wetter auf den Schnepfenſtrich, es werden keine ziehen, ſo antworte ih: Davon will ih mich über¿eugen. Die alten Jäger ſind der Meinung, daß der Schnepfenſtrich von der augenbli>lichen Witterung abhinge, dem aber iſt nicht ſo: meine genauen und ununterbrochenen Beobachtungen haben mi< das Gegenteil gelehrt, aber auh zu der Überzeugung geführt, daß die Waldſchnepfe dur< ein Vorgefühl für die bevorſtehende Witterung geleitet wird. Jhr Zug ſelbſt iſt höchſt verſchieden. Vorgeſtern zogen alle ſehr niedrig und langſain, geſtern niedrig und raſch, heute ſehr hoh und ohne zu balzen, morgen kommen ſie ſo ſpät daß man faum ſchießen kann, und übermorgen ſind ſie gleich nah Sonnenuntergang da.“ Dem kann man no< hinzufügen, daß auch die Straße, die ſie während des Zuges benußen, eine vielfah verſchiedene iſt; denn während man in einem Jahre an einer Örtlichkeit die allen Anforderungen zu entſprechen ſcheint, ſehr viele Waldſchnepfen antrifft, ſieht man in anderen Jahren hier kaum eine, obgleich die Umſtände das Gegenteil erwarten laſſen. Wenn nach einem ſtrengen Winter rechtzeitig Tauwetter eintritt und die Luft fortan gelinde bleibt,

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