Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3
4 Siebente "ODrdnung: Suchvögel; erſte Familie: Regenpfeifer.
geht der Frühlingszug am regelmäßigſten von ſtatten. Ebenſo hat man feſtzuhalten, daß die Slhnepfen, wie andere Vögel auh, ungern mit dem Winde ziehen, am liebſten alſo bei mäßigem Gegenwinde reiſen. Sehr dunkle oder ſtürmiſche Nächte hindern die Wanderung, und ebenſo feſſelt die Vorausſicht von ſ{<le<tem Wetter, beiſpielsweiſe von cinem ſpäten Scneefalle, an einen Ort. Jn größeren, zuſammenhängenden Waldungen findet man ſie eher als in kleinen Gehölzen, höchſt wahrſcheinlih deshalb, weil ihnen die großen Wälder | mehr Schuß geben als die kleineren, die ſie ſpäter gern beſuhen. Jn waldarmen Gegenden fallen ſie niht ſelten ſelbſt in buſchreihen Gärten oder au< einzelnen He>en ein.
Die Schnepfe ſcheint keine Baumart zu bevorzugen; denn man findet ſie in den Nadelwaldungen ebenſo häufig wie im Laubwalde Hauptbedingung für ihr Leben iſt feuchter, weicher Waldboden, der ihr geſtattet, in ihm mit dem Schnabel zu bohren. Die unermeßlichen Wälder des Nordens, die meiſt nur aus Fichten beſtehen, entſprehen ihren Anforderungen in jeder Hinſicht, wogegen dürftige Kiefernwaldungen ſandiger Gegenden ihr in keiner Weiſe zuſagen.
Jhr tägliches oder häusliches Leben läßt ſih nicht eben leiht beobachten, weil ſie höchſt fur<htſam, mißtrauiſh und ſcheu iſ. Während des Tages zeigt ſie ſih niemals im Freien, und wenn ſie wirklich einmal gezwungen wurde, ſich hier niederzulaſſen, drückt ſie ſich platt auf den Boden nieder, und ihr Gefieder geht dann, ebenſo wie das eines Nebhuhnes, in deſſen Färbung auf. Wenn es ſehr ruhig im Walde iſt, kann es geſchehen, daß ſie auh bei Tage auf dem Boden umherläuft; immer aber wählt ſie dann ſolche Stellen aus, welche ſie möglichſt verbergen und vor dem ihr wahrſcheinlich läſtigen, grellen Lichte hüten. Erſt mit der Dämmerung wird ſie munter und beginnt umherzulaufen. Bei ruhiger Haltung zieht ſie den Hals ein, trägt den Leib wagereht und den Schnabel mit der Spiye gegen den Boden geſenkt. Der Gang iſt gedu>t, ſ{leihend, trippelnd, wenig ſ{<nell und niht anhaltend, der Flug dagegen in jeder Beziehung vortrefflih. Sie kann ſih dur das dichteſte Gezweig hindurhwinden, ohne irgendwo anzuſtoßen, überhaupt die Eile des Fluges gänzlih nah den Umſtänden einrichten, bald beſchleunigen und bald mäßigen, ſ{hwenkt ſich gewandt in jeder Richtung, ſteigt oder fällt nah Belieben, erhebt ſih aber, bei Tage wenigſtens, niemals in höhere Luftſchichten und fliegt, ſolange ſie es vermeiden kann, nicht über freie Stellen. Wenn ſie erſhre>t wurde, vernimmt man beim Auſſtehen ein dumpfes Fuchteln an welchem ſie der Weidmann jederzeit erkennt, au< wenn er ſie nicht zu ſehen befam. Wurde ſie während des Tages gejagt und in Angſt geſeßt, ſo pflegt ſie ſih abends faſt ſenkrecht emporzuheben und dann ſo eilig wie mögli weiterzuziehen. Ganz anders fliegt ſie, wenn ſie ſtreicht, d. h. einem Weibchen zu Gefallen Flugkünſte übt. Sie bläht dabei ihr Gefieder auf, ſo daß ſie viel größer erſcheint, als ſie wirklich iſt, fommt höchſt langſam einhergeflogen, bewegt ihre Flügel nur mit matten Schlägen und ähnelt einer Eule mehr als irgend einem Sumpf- oder Stelzvogel. Treſſen zwei Schnepfenmännchen aufeinander, ſo beginnen ſie einen ſonderbaren Zweikampf in der Luft, indem ſie ſih weidlih umhertummeln und mit den Schnäbeln nacheinander ſtehen. Zuweilen pa>en ſie ſih wirE lih und hindern ſi gegenſeitig im Fluge; ja es kommt vor, daß drei zuſammen einen förmlichen Knäuel bilden und beim Herabwirbeln ſich in dihtem Gezweige verwideln. Dieſes Streichen, der Balz vergleichbar, beginnt ſhon während des Zuges, währt anfänglih nur furze Zeit, dauert ſpäter und an den Brutpläßen länger, pflegt aber mit Eintritt der Dunkelheit zu enden.
Wenn man eine lebende Waldſchnepfe vor ſi ſieht, wird man geneigt, ſie für einen der dümmſten Vögel zu halten, irrt ſi hierin aber; denn ſie iſt niht bloß ſcharfſinnig, ſondern auh über Erwarten klug, mindeſtens ſehr liſtig. Sie weiß genau, welch vortrefflichen Schuß ihr das boden- oder rindenfarbene Kleid gewährt, und verſteht es meiſterhaft,