Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

2 Siebente Ordnung: Suchvögel; erſte Familie: Regenpfeifer.

die zur Jagd unbedingt erforderliche Fertigkeit im Flugſchießen nicht jedem eigen iſt. Unter den Ungarn und unter den Europäern Ägyptens oder Fndiens aber hat dieſe Jagd, nah meinem Dafürhalten eine der angenehmſten, die es gibt, begeiſterte Anhänger, belohnt ſi in den gedachten Ländern aber auch ſo wie nirgends anderswo.

Au Bekaſſinen laſſen ſih in der Gefangenſchaft halten; ihre Eingewöhnung verlangt aber einen ſehr geſchi>ten Pfleger, der ſich keine Mühe verdrießen läßt. Die Gefangenen werden zutraulich, zeigen ſih aber bei Tage träge und ſchläfrig und nur des Nachts munter, können alſo niht zu den empfehlenswerten Stubenvögeln gezählt werden.

Die Moorſchnepfe, Halb-, Maus- oder Fledermaus\<hnepfe, auh ſtumme Sqhnepfe, Haarpudel, Böcerle oder Filzlaus genannt (Gallinago gallinula und minima, Scolopax, Telmatias, Ascolopax und Lymnocryptas gallinula, Philolimnos gallinula, stagnatilis und minor), mit ſ<malrüdigem, furzem, verhältnismäßig hohem, vor der Spiße verbreitertem Schnabel und zwölffederigem Schwanze, iſt die kleinſte Scnepfenart: ihre Länge beträgt 16, die Breite 39, die Fittichlänge 11, die Schwanzlänge 4 em. Zügel, ein Streifen unter den Wangen und Kopf ſind braun, zwei Streifen über und unter dem Auge roſtgelblih, die Mantelfedern ſhwarzblau, mit grünem und purpurnem Schiller und vier roſtgelben Hauptſtreifen, die der Gurgel, des Kropfes und der Seiten grau, bräunlich gewellt und gefle>t, im übrigen weiß, die Schwung- und Steuerfedern mattſchwarz, lebtere roſtgelb eingefaßt. Das Frühlingsfkleid zeigt auf den Flügeln eine mehr roſtrote Färbung als das Herbſtkleid; das Fugendkleid iſt nicht ſo ſtrahlend wie das der alten Vögel.

An denſelben Orten, die während des Frühlings- und Herbſtzuges die Heerſchnepfe beherbergen, findet man auch ihre kleinere Verwandte, niemals jedo<h in derſelben Anzahl. Einzelne Pärchen brüten hier und da in Deutſchland; ihre eigentliche Heimat aber iſt Rußland und Weſtſibirien; in Oſtſibirien fand Nadde ſie nur ſelten. Fn Skandinavien trifft man ſie hier und da als Brutvogel an; in Livland und Litauen iſt ſie gemein. Jhre Wanderung erſtre>t ſi< nicht ſo weit nah Süden wie die der Bekaſſine; jedoh kommt ſie gleichzeitig mit leßterer in Fndien an, verteilt fih über die ganze Halbinſel und verläßt dieſe im Frühjahre mit ihrer Verwandten wieder. Dasſelbe gilt für Nordafrika. Fn Spanien und Griechenland überwintern viele, und zwar auf Acerland. „Dieſe Felder“, ſagt Graf von der Mühle, „werden im Wintex durch den oft 14 Tage anhaltenden Regen 30—60 cm ho< unter Waſſer geſeßt und ſind dann der Lieblingsaufenthalt von unzähligen Sumpf- und Moorſchnepfen, unter welchen die leßteren zwar die wenigſt zahlreichen, jedoh no< immer häufig genug ſind. Dort ſah ich ſie zum erſtenmal zu Tauſenden bei Tage, beſonders bei nebeligem und regneriſhem Wetter, umherlaufen und ihre Nahrung ſuchen.“ A. von Lindermayer fügt dem hinzu, daß man ſie _ im Sigzen ſchießen könne, aber nah erfolgtem Schuſſe in die größte Verlegenheit komme, weil Tauſende von Moor- und anderen Sumpfſchnepfen in wolkenartigen Schwärmen auffliegen und den Shüßen verwirren. Anfang März verlaſſen die Wintergäſte den Süden und reiſen nun, wie die übrigen Arten des Nachts, der eigentlichen Heimat zu.

Die Halbſ<hnepfe ähnelt in ihrer Stellung den verwandten Arten, läuft auh ungefähr wie dieſe auf dem Boden umher, fliegt aber viel weniger gut, d. h. unſicherer, obgleich ſie no< immer ſchnell genug dahineilt und die verſchiedenſten Schwenkungen ausführen kann, erhebt ſi< ungern ho in die Luft, ſondern flattert zuweilen förmlih über dem Sumpfe fort, ſo daß ſie wirklih einer Fledermaus ähnli wird, und ſchreit beim Auffliegen noh ſeltener als die Mittelſchnepfe, liegt ungemein feſt und läßt einen Störenfried unter allen Umſtänden bis auf wenige Schritte nahen, bevor ſie ſich überhaupt zum Fliegen entſchließt.