Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

18 Siebente Ordnung: Suchvögel; erſte Familie: Regenpfeifer.

{hon nahe iſt, ſondern unter allen Umſtänden, ſowie ſich ihm etwas Verdächtiges auh nur von weitem zeigt. Dabei unterſcheidet er ſehr richtig zwiſchen gefährlichen und ungefährlichen Leuten, läßt einen Hirten oder Bauern nahen, flieht aber jeden ihm einigermaßen auffallenden Menſchen. Meinen ſchwarzen Dienern gelang es viel öfter als mir, Brachvögel zu erlegen, obgleih ih mir die größte Mühe gab, die ſchlauen Geſchöpfe zu überliſten.

Haltung, Gang, Flug und Stimme zeichnen den Brachvogel von ſämtlichen Schnepfenvögeln zu ſeinem Vorteile aus. Er geht mit großen Schritten, aber leiht und zierlich, wie Naumann ſagt, „anſtändig“, verdoppelt, wenn er ſhnell weiter will, ſie niht der Anzahl/ ſondern der Weite nah, watet oft bis an den Leib im Waſſer umher und ſ{hwimmt, ungezwungen, ret gut. Sein Flug iſt zwar nicht beſonders ſchnell, aber anhaltend, regelmäßig, gewandt und der verſchiedenſten Wendungen fähig. Vor dem Niederſeben pflegt er eine Zeitlang zu ſ{hweben; wenn er ſi< aus bedeutenden Höhen herabſenken will, zieht er die Flügel an und ſtürzt wie ein fallender Stein ſauſend hernieder, hält ſich aber durch einige Flügelſhläge und Ausbreiten der Schwingen no re<tzeitig auf und betritt erſt nach einigen Schwenkungen den Boden. Seine Stimme beſteht in abgerundeten, vollen, flangreihen Tönen, die man durch die Silben „taü taü“ und „tlaüid tlaüid“ ausdrüden fann. Der Unterhaltungslaut klingt wie „twi twi“; der Angſtruf iſt ein kreiſhendes „Kräh“ oder „Krüh“. Während der Paarungszeit gibt auch er einen kurzen Geſang zum beſten; dieſer beſteht jedoh auh nur aus dem gewöhnlichen Lo>ruſe, der in eigentümlicher, kaum beſchreibliher Weiſe verſ<hmolzen wird.

Einzelne Gegenden Norddeutſchlands werden vom Brachvogel bereits zum Niſten benußt; eigentlich aber brütet er in nördliheren Ländern und hier, wie bemerft, hauptſächlich in der Tundra. Die Brutvögel treffen au< in Lappland ungefähr um dieſelbe Zeit ein wie bei uns und ſchreiten bald nach ihrer Ankunſt zur Fortpflanzung. Das Männchen läßt ſeinen Paarungsruf jezt zu jeder Tageszeit, am häufigſten aber in den ſtillen Mitternachtsſtunden erſchallen, und das Weibchen ſucht inzwiſchen nah einer paſſenden Kaupe in der Fläche, die das Neſt tragen ſoll. Leßteres iſt nichts anderes als eine Vertiefung im Mooſe oder Riedgraſe, die mir erſchien, als ob ſie eingedrü>t und gerundet, nicht aber dur< Ausſcharren entſtanden ſei. Fn einigen dieſer Neſter fand ih eine dürftige Unterlage von herbeigetragenen Pflanzenſtoffen; in anderen war das Moos ſelbſt hierzu benußt worden. Die 4 Eier ſind größer als die einer Ente, etwa 66 mm lang, 46 mm did, birn- oder kreiſelförmig, niht gerade glattſchalig, glanzlos und auf \<mugig ölgrünem, mehr oder weniger ins Gelbe und Bräunliche ſpielendem Grunde mit dunkelgrauen Unterfleten und Punkten, grünlih ſ{hwarzbraunen Oberfle>en, Stricheln und Schnörkeln gezeihnet. Beide Geſchlechter ſcheinen abwechſelnd zu brüten, befunden mindeſtens warme Liebe zur Brut und ſeßen ſich, angeſihts des Feindes, wirklichen Gefahren aus. Die Jungen werden baldmöglichſt den Stellen zugeführt, die mit höherem Graſe beſtanden ſind.

Kerbtiere der verſchiedenſten Art in allen Lebenszuſtänden, Würmer, Muſcheln, Krebstiere, auh Fiſchchen oder Lurche und endlih mancherlei Pflanzenſtoffe, insbeſondere Beeren, bilden die Nahrung der erwachſenen Brachvögel; die Jungen freſſen nur Kerfe und im hohen Norden aus\{<ließli<h Mücken und deren Larven. Jn der Gefangenſchaft hält er ſi gut, gewöhnt ſich bald an das übliche Crſaßfutter, ſeinen Pfleger und andere Tiere, mit welchen man ihn zuſammenſperrt, wird ſehr zahm und bekundet alſo au< dadurch ſeine hohe geiſtige Begabung.

Die Jagd iſ nicht leicht und der Zufall der beſte Gehilfe des Jägers. Der Fang ver: ſpricht am Neſte ſicheren Erfolg und gelingt auch oft am Waſſerſchnepfenherde. Hier hält der eifrige Vogelſteller den Brachvogel für das, wäs der Auerhahn oder Hirſh dem Jäger iſt. Die außerordentliche Vorſicht und Klugheit des Vogels beanſprucht alle Aufmertſamkeit