Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Schmubßgeier. Kappengeier. 459

Wänden eines tiefen Thales ſtanden. „Sie lieben es“, ſagt er, „nahbarlich nebeneinander zu horſten. Wo eine ſteile Felswand ihnen bequeme Niſtpläße darbietet, da ſiedeln ſie ſich an, ohne auf die größere oder geringere Wärme der Örtlichkeit bejonders Nückſicht zu nehmen. Die Maſſe des neben und unter den Neſtern ſi anhäufenden Kotes macht, daß ſie weithin ſihtbar werden und dem Beobachter mit Leichtigkeit ins Auge fallen. Die Geier ſcheinen ihre Sicherheit durchaus nicht dur eine verſte>te Lage begünſtigen zu wollen, ſondern ſich einzig und allein auf die Unzugänglichkeit der Orte, die ſie wählen, zu verlaſſen.“ Ju Spanien tritt der Vogel fo einzeln auf, daß ein geſellſchaftliches Brüten kaum möglich iſt; in Ägypten ſieht man die Horſte an den ſteilen Wänden der Kalkfelſen zu beiden Seiten des Nils, und zwar, wenn die Örtlichkeit es erlaubt, oft mehrere nebeneinander, regelmäßig aber an Stellen, zu welhen man nur dann gelangen kann, wenn man ſih an einem Seile von oben herabläßt. Das habe ih nicht gethan. von Heuglin, der auch die Pyramiden als Standort der Neſter angibt und leßtere unterſucht zu haben ſcheint, bemerkt, daß ſie von dem Vogel ſelbſt gebaut werden, ziemlih groß und dicht ſind und aus dürren Neiſern und Durrhaſtengeln beſtehen, wogegen Hartmann ſagt, daß der große Horſt aus Gras und Lumpen erbaut werde. Auch in Fndien brütet der Schmußgeier auf Felſen und Klippen, ebenſo aber in großen Gebäuden, Pagoden, Moſcheen, Gräbern, gelegentlich fogar auf Bäumen, baut hier wie da den Horſt aus Zweigen und mancherlei Abfällen und kleidet die Mulde oft mit alten Lumpen aus. Ein beſonders beliebter Brutplaß ſcheint, laut Alléon, die Stadt Konſtantinopel zu ſein, jedo<h nur der von den Türken bewohnte Teil Stambuls und nicht das Fremdenviertel Pera. Dort niſtet der Vogel ebenſo auf den Cypreſſen wie auf den Moſcheen, und zwar in ſo bedeutender Menge, daß Alléon die Anzahl der alljährlich ausfliegenden Jungen auf 1000 Stück anſchlägt. Jn Ägypten fällt die Brutzeit in die Monate Februar bis April, in Griechenland, nah Krüper, etwa in die Mitte des leßtgenannten Monat3. Doch erhielt Krüper auh zu Ende April und Anfang Mai noh friſche Eier. Das Gelege enthält gewöhnlih 2 Eier; dreimal fand jedoch Krüper nur ein einziges. Die Eier ſind länglich, hinſihtli<h des Kornes und der Färbung ſehr verſchieden, gewöhnlih auf gelblihweißem Grunde entweder lehmfarben oder roſtbraun gefleŒ und gemarmelt, einzelne auh wie mit hlutſhwarzen größeren Fle>en und Streifen überſhmiert. Dieſe Fle>en ſtehen zuweilen am di>eren, zuweilen am ſpißeren Ende dichter zuſammen. Wie lange die Brutzeit währt, iſt noh niht ermittelt; auh weiß man niht, ob beide Geſchlechter an der Bebrütung teilnehmen, obwohl ſich dies erwarten läßt. Das Weibchen ſigt ſehr feſt auf den Ciern und verläßt ſie erſt, wenn der ſtörende Menſch unmittelbar vor dem Horſte angelangt iſt. Die Jungen, die anfänglih mit grauweißlichem Flaume bekleidet ſind, werden aus dem Kropfe geaßt, ſißen lange Zeit am Horſte und verweilen auh dann no< Monate in Geſellſchaft ihrer Alten.

Jung eingefangene Shmußtgeier werden ſehr zahm, folgen zuleßt ihrem Pfleger wie ein Hund auf dem Fuße nah und begrüßen ihn mit Freudengeſchrei, ſobald er ſich zeigt. Auch alt gefangene gewöhnen ſih bald ein und ertragen den Verluſt ihrer Freiheit viele Fahre.

Jn Mittel- und Weſtafrika geſellt ſi<h dem Schmußgeier ein naher Verwandter (Neophron pileatus, monachus und carunculatus, Yultur pileatus, Cathartes monachus, Percnopterus niger), den wir Kappengeier nennen wollen. Er unterſcheidet ſi< von jenem durch etwas kürzeren Schnabel, breitere Flügel, kürzeren, gerade abgeſtußten Shwanz, wollige Befiederung. der Hinterhals- und Naenteile und geringere Ausdehnung der unbefiederten Stellen, da nur der Scheitel, die Wangen und der Vorderhals na>t ſind. Ein ſehr gleihmäßiges Dunkelerdbraun iſt die vorherrſhende Färbung des Gefieders; die weicen, ſamtigen Federn des Hinterkopfes und Halſes ſind gräulihbraun, die kurzen, die