Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Fiſchreiher. Purpurreiher. 483

reiher begleiten ſchreiend den unberufenen Friedensſtörer; aber plößlich ruft ſie ein neues, ſtärkeres Geſchrei zurü>. Eine Elſter hier, eine Nebelkrähe dort hat ſih ihr Entfernen zu nuße gemacht, um einige Eier fortzutragen. Die Nachbarn der Beraubten erheben ſih unter entſeßlichem Geſchrei, während andere des Diebesgeſindels über die eben verlaſſenen Neſter herfallen und blißſchnell mit ihrer Beute davoneilen. Noch tönt das verworrene Angſt: und Nachegeſchrei, da rauſcht es in der Luft und gebietet lautloſe Stille. Der gewaltige König der Lüfte, ein mächtiger Ar, zog vorbei, hinüber nah jenem unzugänglichen Rohrdikichte/ wo das laute Geſchnatter der Gänſe und Enten ebenſo plößlih verſtummt. Drüben am Wieſenrande fällt ein Schuß, und die ganze Siedelung, bis auf die Nachtreiher, erhebt ſich und miſcht ſih mit den Tauſenden, die dort, aus dem ſeichten Waſſer aufgeſhre>t, flüchtig umherkreiſen und ſih endlih wieder niederlaſſen.“

Jn Deutſchland verfolgt man die Reiher an allen Orten eifrig, da ſie in unſeren Gewäſſern mehr ſchaden als jeder andere tieriſche Fiſhjäger. Da, wo ſih ein Reiherſtand befindet, iſt es üblich, alljährlih ein ſogenanntes Reiherſchießen anzuſtellen, bei dem fo viele Reiher getötet werden, wie man töten kann. Die Jagd iſt übrigens auch nur in der Nähe dieſer Reiherſtände ergiebig, da die Scheu und Vorſicht der alten Reiher Nachſtellungen ge_ _wöhnlih zu vereiteln weiß.

Hier und da fällt es einem eifrigen Liebhaber au<h wohl ein, junge Reiher aufzuziehen und zu zähmen. Er hat dann Gelegenheit, die ſonderbaren Stellungen des Vogels zu beobachten, kann ihn au< zum Aus- und Einfliegen gewöhnen und dahin bringen, daß er ſih den größten Teil ſeines Futters ſelbſt ſucht, wird aber ſhwerlih beſondere Freude an ihm haben; denn dieſe gewähren nur die kleinen und ſchön gefärbten Arten der Familie, niht aber die bei uns vorkommenden Fiſh- und Puxpurreiher. Jn Tiergärten ſieht man namentlich die ſüdländiſchen Arten, die dur ihr Gefieder allerdings zu feſſeln wiſſen. Viele Arten ſchreiten im Käfige zur Fortpflanzung.

Der Fiſchreiher oder Neigel (Ardea cinerea, cineracea, vulgaris, cristata, rhenana und leucophaea) iſt der bekannteſte Vertreter der Gattung der Tagreiher (Ardea). Das Gefieder auf Stirn und Oberkopf iſt weiß, auf dem Halſe grauweiß, auf dem Nücken aſchgrau, dur die verlängerten Federn bandartig weiß gezeihnet, auf den Seiten des Unterkörpers ſ<hwarzz; ein Streifen, der vom Auge beginnt und nah dem Hinterhalſe läuft drei lange Schopffedern, eine dreifache Fle>enreihe am Vorderhalſe und die großen Schwingen ſind ſchwarz, die Dberarmſhwingen und Steuerfedern grau. Das Auge iſt goldgelb, die na>te Stelle im Geſichte grüngelb, der Schnabel ſtrohgelb, der Fuß bräunlihſhwarz. Die Länge beträgt 100—106, die Breite 170—180, die Fittihlänge dur<ſchnittlih 47, die Schwanzlänge 19 cm. Der junge Vogel ſieht grauer aus als der alte und trägt auh keinen Federbuſch. | :

Nach Norden hin reicht der Verbreitungskreis des Fiſchreihers bis zum 64. Grade; nah Süden hin kommt er faſt in allen Ländern der Alten Welt vor, und zwar nicht bloß als Zug-, ſondern auh als Brutvogel. Jch habe ihn noch tief im Fnneren Afrikas angetroffen ; andere Forſcher fanden ihn im Weſten und Süden Afrikas. Jn Jundien iſt er gemein, und von hier aus ſtreift er gewiß bis auf eine oder die andere Jnſel von Ozeanien hinüber. Jm Norden iſt er Zug-, im Süden wenigſtens Strichvogel. Von Deutſchland aus wandert er im September und Oktober weg, rciſt gemächlih den großen Strömen entlang, erſcheint im Oktober überall in Südeuropa und fliegt endlih nah Afrika hinüber. Jm März und April tehrt er zurü>. Auf der Wanderſchaft ſchließt ſih einer dem anderen an, und ſo bilden ſich

SSE