Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Flußuferläufer. Hochlandwaſſerläufer. 35

Der nächſte Verwandte der Waſſerläufer iſt der Hohlandwaſſerläufer, Hochlandpfeifer, Graswaſſerläufer, das Prairietäubchen 2c. (Aetiturus longicaudus, bartrami oder bartramius, Actitis bartrami, Tringa longicauda und bartramia, Tringoides bartramius, Totanus bartramius, variegatus und melanopygius, Bartramius longicandus, Bartramia laticauda, Euliga bartrami), Vertreter einer gleihnamigen Gattung (A ctiturus), deren Kennzeichen in dem kurzen, kräftigen, an der Spibe verdi>ten, oberſeits ſanft abwärts gebogenen Schnabel, den niedrigen, ziemlich ſtarken Füßen, mittellangen Flügeln, unter deren Schwingen die erſte alle anderen überragt, und dem ſehr langen, ſtark geſteigerten Shwanze zu ſuchen ſind. Die Länge des zierlihen Vogels beträgt 30, die Breite 55, die Fittichlänge 18, die Schwanzlänge 9 em. Stirn und ein Brauenſtreifen ſind licht roſtgelblih, dunkel längsgeſtrichelt, die Scheitelfedern dunkelbraun, ſeitlich lichter, die der Mitte dunkler geſäumt, ſo daß hier ein Längsſtreifen entſteht, die Mantelfedern braun, dunk ler quergebändert und licht fahlgrau geſäumt, Hals und Oberbruſt roſtgelb, Hinterhals und Naten dunkler, alle dieſe Teile dunkelbraun längsgeſtreift, die übrigen Unterteile weiß, roſtgelblih überflogen, die Bruſtſeiten mit breiten braunen Pfeilfle>en gezeichnet, die Shwingen außen und an der Spiße braunſhwarz, im übrigen weiß quergebändert, die roſtbräunlichen Schwanzfedern 8—12mal dunkel quergebändert. Das Auge iſt braun, der Schnabel gelbgrün, der Fuß licht gelbgrau.

Der Hochlandwaſſerläufer bewohnt zur Brutzeit die nordamerikaniſche Tundra, nach Norden hin bis zum Yukonfluſſe, nah Süden hin bis Fllinois und Pennſylvanien, durchwandert jedo<h alle übrigen zwiſchen dem Atlantiſhen Meere und dem Felſengebirge gelegenen Teile der Vereinigten Staaten, um im Süden der leßteren, in Mittel- und Südamerika Winterherberge zu nehmen, hat ſi<h au< wiederholt nah Europa und ſelbſt nah Deutſchland verflogen. Während ſeiner Herbſtwanderungen, im September und Oktober, belebt er alle Waſſerbe>en und Flußufer ſämtlicher Staaten, ebenſo aber auch die waſſerloſe Prairie, da er ſich weniger als jeder andere ſeiner Vetterſchaſt an das Waſſer bindet, vielmehr mit Vorliebe tro>ene Stellen aufſu<ht. Jn der Winterherberge ſammelt er ſih zu Scharen von Tauſenden. Vom Beginn des Mai an wandert er heimwärts und iſt dann in den nordöſtlichſten Orten das häufigſte Glied ſeiner Familie.

Jn ſeinem Weſen, Thun und Treiben ähnelt er wohl dem Flußuferläufer am meiſten. Er wiegt ſi im Stehen, ſezt ſih gern hoch, auf einen Giebel, Pfahl, Baum und dergleichen, läuft ungemein raſh, in Abſäßen, wenn ex verfolgt wird, mit gelüfteten Shwingen, fliegt ſchnell, leiht und zierlih, läßt ſeine laute, langgezogene, etwas kläglich, aber nict unangenehm lingende Stimme oft vernehmen, zeigt ſi< harmlos und vertrauensvoll, bis ihn die ſ{hlimmſten Erfahrungen gewißigt haben, und erwirbt ſi<h dur all dieſes ebenſo wie dur ſeine anmutige Geſtalt und anſprechende Zeihnung jedermanns Wohlwollen.

Unmittelbar na< der Ankunft am Brutorte ſieht man nur treuinnig geſellte Paare, die jezt allüberall die Prairie wie die Tundra beleben, alles gemeinſchaftli<h thun, behende und gewandt dur< das dichte Gras ſchlüpfen, um hier nah Nahrung, zumal Heuſchre>en, oder einem geeigneten Niſtplaßze zu ſuchen, oft ihren von dem gewöhnlichen ganz verſchiedenen, mehr dem Pfeifen des Windes als dem Geſchrei eines Vogels ähnelnden, lauten, langgézogenen Paarungsruf vernehmen laſſen, dabei auh wohl in die Höhe ſteigen und mit gehobenen Flügeln ſanft abwärts {<hweben. Fn der zweiten Woche des Juni findet man in dem bald nahe am, bald fern vom Waſſer ſtehenden Neſte, einer einfachen, kaum ausgetleideten, meiſt von hohem Graſe umgebenen Vertiefung, die etwa 45 mm langen, 33 mm dicen, auf blaß lehmgelbem, ölfarben überflogenem Grunde überall, am ſtumpfen Ende jedo<. am dichteſten mit gräulichen verwaſchenen Schalen- und kleinen dunkelbraunen Oberſleœen gezeihneten Eier. Das brütende Weibchen ſigt ſehr feſt, und beide Eltern zeigen ſich