Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Schuhſchnabel: Verbreitung. Lebensweiſe. Fortpflanzung. Gefangenleben. 505

Jn ſeinem Gange und Fluge ähnelt der Schuhſchnabel dem Marabu, trägt jedoch den Leib mehr wagerecht und läßt den ſ{hweren Kopf auf dem Kropfe ruhen. Fm Fluge zieht er den Hals ein, wie Reiher thun. Der einzige Ton, den er von ſih gibt, iſt ein lautes Knaen und Klappern mit dem Schnabel, das an das Storchgeklapper erinnert. Seine Nahrung beſteht vorzugsweiſe aus Fiſchen, und ſie weiß ex, oft bis zur Bruſt im Waſſer ſtehend, den gewaltigen Schnabel nah Reiherart plößlih vorſtoßend, geſchi>t zu fangen. Zuweilen ſoll ex auh, na<h Gewohnheit der Pelikane, mit anderen ſeiner Art förmliche Treibjagden abhalten, indem er mit den Genoſſen einen Kreis bildet und, ſhreitend und mit den Flügeln ſGlagend, die Fiſche auf ſeichte Uferſtellen zu drängen ſucht. Petheri> verſichert, daß er Waſſerſchlangen fange und töte, auh die Eingeweide toter Tiere nicht verſhmähe und, um zu ihnen zu gelangen, nah Art des Marabu den Leib eines Aaſes aufreiße, gründet dieſe Angaben aber niht auf eigne, ſondern auf die Beobachtungen ſeiner Leute und dürfte hinſihtli<h der Schlangen falſ<h berichtet haben, da ein Flöſſelhecht (Polypterus) die „Schlange des Fluſſes“ genannt wird.

Die Brutzeit fällt in die dortige Regenzeit, alſo in die Monate Funi bis Auguſt. Der Schuhſchnabel erwählt zur Anlage ſeines Neſtes eine kleine Erhöhung im Schilfe oder Graſe, entweder unmittelbar am Nande des Waſſers oder inmitten des Sumpfes, am liebſten da, wo umgebendes Waſſer den Zugang erſchwert, und fügt hier aus zuſammengehäuften loŒeren Stengeln der Sumpfpflanzen ein ſehr großes, oft dur<h Raſen- oder Shlammſtücke befeſtigtes und faſt meterhohes Neſt zuſammen. Die Eier ſind, na< Angabe von Heuglins, verhältnismäßig klein, etwa 80 mm lang und 55 mm di>, eigeſtaltig, weiß, friſch etwas bläulich angeflogen, ſpäter, infolge des Bebrütens, bräunlich beſ<hmußgt; die dike, feinförnige Schale ſcheint dunkelgrün durch und hat einen glatten Kalküberzug, in welchem ſich häufig äußere Eindrü>ke finden, und der hier und da blaſig iſt oder an der Spiße faſt gänzlich fehlt. Derſelbe Naturforſcher verſichert, daß das aus dem Neſte genommene Junge ſi ſehr leiht mit Fiſchen erhalten und zähmen läßt, Petheri> hingegen, daß alle die Jungen, die dur ſeine Leute ausgenommen wurden, geſtorben ſeien und er deshalb genötigt worden wäre, ſole dur<h Hühner ausbrüten und mühſelig aufaßen zu laſſen. Daß dieſe Mit8 unritig iſt, bedarf für den Kundigen keines Beweiſes, ſo zweifellos es auch iſt, daß

s Petherid wax, der im Fahre 1860 lebende Schuhſhnäbel nah London brachte.

Über einen DÉhrenD ſeiner Reiſen in Afrika gefangen gehaltenen Schuhſchnabel berihtet W. Junker das Folgende: „Er machte uns in der Folge an Bord und ſpäter in der Station Djur Ghattas viel Spaß. Täglich ließ ih in mein großes Badegefäß Fiſche feßen, und dann war es ergößlih anzuſehen, wie der große Vogel manchmal lange unbewegli<h in der Nähe ſtand, bis er plöblih mit dem maſſiven Schnabel ins Waſſer fuhr, blißſ<hnell einen faſt fußlangen Fiſh faßte und ohne irgend merkliche Beſchwerde durch ſeinen Schlund zwängte. Er zeigte einen unglaublih ruhigen und phlegmatiſchen Charakter, war von allem Anfang an ſehr wenig ſcheu und ließ ſi<h bald nahe kommen. Nur plöbliche Annäherung der Leute und Geräuſch erſhre>te ihn. Meiſt ſtand er wie gedankenvoll an einer Stelle und ließ ſi< nur ungern vertreiben. So blieb dex ſeltene Gaſt bei uns in Freiheit unbehindert an De>. Ganz drollig geſtaltete ſih alsbald ſein Verhältnis zu den beiden Éleineren der für Geſſi angekommenen Schimpanſen, die vox unſerem Schuhſ{nabel eine heilloſe Furcht bekundeten. Dies kam uns ſehr gelegen, denn die Tiere gebärdeten ſi<h wie ungezogene Kinder und zwangen uns oft dur Zähnefletſhen, Beißen und Schreien bei unſeren Mahlzeiten förmlich, aufzuſtehen und davonzulaufen, worauf ſie ſich ſelbſt über die gefüllten Teller hermachten. Der ruhige und phlegmatiſche große Vogel aber wurde uns bald zu unſerem höchſten Ergößen ein wa>erer Shußmann gegen die Zudringlichkeit jener unbotmäßigen kleinen Freunde. Seitdem nannte ihn Geſſi niht anders