Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

922 Zehnte Drdnung: Stoß vögel; ſe<ſte Familie: Störche.

Hofmann "mit feuerroter Perücke, der ſih {heu und ängſtlih fortwährend nah dem ſtrengen Gebieter umſchaut; er erinnert, füge ih hinzu, an einen ungeſchi>ten Menſchen, der zum erſtenmal in einen Fra> geſte>t wird und dieſes Kleidungsſtück niht mit dem nötigen Anſtande trägt. Wix nannten ihn in Afrika ſcherzhaſterweiſe nur den „Vogel Fra“; denn der Vergleich mit ihm und einem befra>ten Menſchen drängt ſih fortwährend wieder auf. Das Benehmen des Marabu ſteht mit ſeiner Geſtalt und Haltung, die unwillkürlich zum Lachen herausfordern, im Einklange. Fn jeder ſeiner Bewegungen ſpricht ſi< unverwüſtlihe Nuhe aus. Sein Gang, ja jeder Schritt, jeder Blik ſcheint bere<hnet, genau abgemeſſen zu ſein. Wenn er ſi verfolgt mähnt, ſchaut er ſih ernſthaft um, mißt die Entfernung zwiſchen ſih und ſeinem Feinde und regelt nach ihr ſeine Schritte. Geht der Jäger langſam, fo thut er es ebenfalls, beſchleunigt jener ſeine Schritte, ſo ſchreitet auh er weiter aus, bleibt jener ſtehen, ſo thut es au< er. Auf einer weiten Ebene, die ihm geſtattet, jede beliebige Entfernung zwiſchen ſi< und ſeinem Feinde zu behaupten, läßt er-es ſelten zum Schuſſe kommen, fliegt aber auh niht auf, ſondern bewegt ſi<h immer in einer ſih gleichbleibenden Entfernung von 300—400 Schritt vor dem Jäger dahin. Er iſt erſtaunlih lug und lernt nach den erſten Schüſſen, die auf ihn oder andere ſeiner Art abgefeuert wurden, auf das genaueſte abſhäßen, wie weit das Jagdgewehr des Schüßen trägt; er unterſcheidet dieſen aber auh ſofort von anderen Menſchen, da ihn alles Auffallende zur Vorſicht mahnt. Bei meiner Ankunft in Chartum lebte er mit den Mebgern, die in einem vor der Stadt liegenden Schlachthauſe ihr Handwerk trieben, im beſten Einvernehmen, fand ſih ohne Furcht vor dem Hauſe oder in ihm ſelbſt ein, erbettelte ſih die Abfälle oder beläſtigte die Leute ſo lange, bis ſie ihm etwas zuwarfen. Keiner der Schlächter dachte daran, ihn zu verfolgen; man ließ ſi< mögli<hſt viel von ihm gefallen und erlaubte ſi<h höchſtens, ihm durch einen Steinwurf anzuzeigen, wenn er zu unverſchämt wurde. Jedenfalls hatte der Vogel bis zu unſerer Zeit keine Nachſtellungen erfahren; denn auch die damals in Chartum lebenden Europäer ließen ihn unbehelligt, weil ſie ſeinen Wert nicht kannten, wenigſtens niht wußten, daß er Erzeuger köſtliher Federn war. Bei unſerem erſten Fagdausfluge fiel ein Marabu dem Forſhungseifer zum Opfer, und von der Stunde an änderten die Genoſſen ihr Benehmen. Sie kamen allerdings nah wie vor no< zum S<hlachthauſe, ſtellten aber fortan regelmäßig Wachen aus und entflohen, ſobald ein weißes Geſicht oder ein weiß gefleideter Menſch ſi<h nux von weitem ſehen ließ. Es wurde uns ſ{<wer, ſo viele zu erlegen, wie wir für unſere Sammlungen notwendigerweiſe bedurften, und an ein Sammeln von Marabufedern war niht zu denken. Nach der gehaltenen Mahlzeit entfernten ſih die Marabus von dem Schlachtplaße, flogen na<h dem Nil hin, fiſhten dort noh ein wenig und erhoben ſih hierauf in der Regel, um während der heißeſten Stunden des Tages in ungemeſſener Höhe zu kreiſen, vielleiht auh, um fiheren Ruhepläßen zuzufliegen, von welchen aus ſie gegen Abend wiederum zurüczukehren pflegten. Der Flug iſt wahrhaft pra<htvoll, majeſtätiſh, dem der Geier ähnlicher als dem unſeres Stores; der Hals wird dabei ausgeſtre>t, aber, vielleicht des <weren Schnabels wegen, etwas nach unten geſenkt, die Flügelſpißen, wie bei einzelnen Geiern und Adlern, etwas in die Höhe gehoben, der Flügel überhaupt ſelten bewegt.

Wahrſcheinlih gibt es keinen Vogel, der an Gefräßigkeit dem Marabu gleichkäme. Seine natürliche Nahrung beſteht in allen denkbaren Wirbeltieren, von der Größe einer Natte oder eines jungen Krokodiles an bis zur kleinſten Maus herab; er frißt jedo<h au< Muſcheln, Spinnentiere, Kerfe und mit Vorliebe Aas. Wir zogen aus ſeinem Kropfe ganze Rinderohren und Rinderfüße ſamt den Hufen hervor, auh Knochen von einer Größe, daß ſie ein anderer Vogel gar nicht hätte verſchlingen können, beobachteten, daß er blutgetränkte Erde oder blutbefle>te Feen hinunterſhlang, bemerkten wiederholt, daß