Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Marabu: Weſen. Gefräßigkeit. Jagd. Gefangenleben. 5283

flügellahm geſchoſſene im Laufen gleih no< einen guten Biſſen aufnahmen. Einmal ſah ih 10—12 Marabus im Weißen Nil Fiſche fangen. Sie beſißen darin viel Geſchi>lichkeit, ſchließen einen Kreis und treiben ſih Fiſche gegenſeitig zu. Einer von ihnen hatte das Glück, einen großen Fiſch zu erhaſchen, der alsbald hinabgewürgt, einſtweilen aber no< im Kropf: ſade aufbewahrt wurde. Der Fiſch zappelte in dem Kropfe herum und dehnte ihn fußlang aus. Sofort ſtürzten ſih alle Marabus auf den glü>lihen Fänger los und ſchnappten ſo ernſtlih nach deſſen Kropfe, daß er ſich genötigt ſah, die Flucht zu ergreifen, um den Fangverſuchen ein Ziel zu ſeßen. Mit Geiern und Hunden liegt der Marabu ſtets im Streite. Er fällt mit den Geiern regelmäßig auf das Aas und weiß ſeinen Plaß zu behaupten. Ein Ohrengeier, der die Speiſe zerreißen, namentlih die Höhlen aufbrehen muß, ſteht ſeinen Mann; aber den Marabu vertreibt er niht; denn dieſer weiß ſih zu verteidigen und teilt mit ſeinem Keilſchnabel nah re<ts und links ſo kräftige Hiebe aus, daß er ſih unter allen Umſtänden ſeinen Anteil ſichert. Von ſeiner Gefräßigkeit gab er mir einen Beweis, der mich mit Entſeßen erfüllte. Mein brauner Diener hatte einem Vogel dieſer Art durch einen Schuß beide Flügelknohen und einen Fuß zerſchmettert, aber verſäumt, das verſtümmelte Tier ſogleich zu töten, und brachte es noch lebend in unſere Wohnung. Hier wurden gerade Geier abgebalgt, und das Fleiſch von den Beinen und Flügeln, die Hälſe 2c. lagen in Haufen umher. Tomboldo, der Jäger, warf den Marabu einem der Abbälger zu, der Vogel brach natürlih ſofort zuſammen, lag kläglih da, begann aber dennoch ſofort Maſſen des Fleiſches zu verſhlingen. Jh tötete ihn augenbli>lich.

Die Jagd bleibt ſtets ſhwierig, weil die außerordentlihe Scheu der Vögel dem Jäger die Verfolgung verleidet. Nicht einmal auf den Schlaſpläßen kann man mit Sicherheit darauf rehnen, dieſe klugen Vögel zu überliſten. Einige, die wir beunruhigt hatten, flogen während der ganzen Nacht über den S<hlafbäumen hin und her, ohne ſih wieder zu ſeßen, und diejenigen, welche bei den Shhlachthäuſern einmal geängſtigt wurden, konnten uns Jäger zur Verzweiflung bringen. Leichter noh gelingt der Fang, wenn auch bloß den Eingeborenen, an welche die Marabus gewöhnt ſind. Man bindet ein Schafbein an einen dünnen, aber feſten, langen Faden und wirft es unter die übrigen Abfälle. Der Marabu ſchlingt es hinab und wird wie an einer Angel gefangen, noch ehe er Zeit hat, den eingewürgten Knochen wieder von ſi<h zu geben.

Auf dieſe Weiſe gelangten mehrere Kropfſtörche in meinen Beſiß, und ih habe die gefangenen tros ihrer ungeheuern Gefräßigkeit ſtets gern gehalten, weil ſie bald ungemein zahm und zutrauli<h wurden. Wenn wir Vögel abbalgten, ſtanden ſie ernſthaft zuſchauend nebenan und lauerten auf jeden Biſſen, der ihnen zugeworfen wurde, fingen ihn höchſt ge\chi>t, beinahe unfehlbar aus der Luft und zeigten ſih gegen den Pfleger ſehr dankbar. Der erſte, den ih beſaß, kam mir entgegen, ni>te mit dem Kopfe, klapperte wie ein Storh laut mit dem Schnabel, um mir ſeine Freude auszudrüd>en, und umtanzte mich untex den luſtigſten Gebärden. Seine Anhänglichkeit verlor ſih übrigens zum Teile, nachdem er einen Gefährten erhalten hatte, und als ih ihn nah einer zweimonatigen Reiſe wiederſah, kannte er mi niht mehr. Fn unſeren Tiergärten fehlt der Marabu gewöhnlich nicht, weil ex mehr als jeder andere Vogel ſeiner Größe als Schauſtü>k gilt. Man darf ihn unter allerlei Geflügel halten, ohne für dieſes beſorgt ſein zu müſſen; denn er erwirbt ſih ſ{hon in den erſten Tagen eine ſo unbedingte Oberherrſchaft auf dem Futterplaße, daß groß und klein ſich vorſichtig vor ihm zurü>zieht und ihn ſeinen Hunger zuerſt ſtillen läßt. Hat er jedo<h einmal gefreſſen, dann iſt er das gutmütigſte Vieh unter der Sonne und fängt, ungereizt, mit keinem anderen Geſchöpfe Händel an. Aber man darf den kräftigen Vogel auh mit anderen, gefährlicheren Tieren zuſammenbringen, ohne für ihn fürchten zu müſſen. Ein zahmer Marabu, der auf unſerem Hofe in Chartum umherlief, hatte ſi< in kürzeſter Zeit die Achtung