Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

544 Zehnte Drdnung: Stoßvögel; neunte Familie: Flamingos.

ſüdliche Europa die nördliche Grenze ſeines Verbreitungskreiſes und Nordafrika und Mittelaſien das eigentlihe Wohngebiet.

Strandſeen mit ſalzigem oder bra>kigem Waſſer ſind die Aufenthaltsorte die der Flamingo allen übrigen vorzieht. Nach wirklich ſüßen Gewäſſern verirrt er ſich nux, hält ſi hier auh immer bloß kurze Zeit auf und verſchwindet wieder. Dagegen ſieht man ihn häufig am Meere ſelbſt, erklärliherweiſe nur auf flachen Stellen, die ihm geſtatten, ſih in gewohnter Weiſe zu bewegen. Er zählt zu den Strichvögeln, ſcheint aber ſo regelmäßig zu ſtreichen, daß man bei ihm vielleicht au<h von Ziehen reden kann. Schon Cetti erwähnt, daß die Flamingos auf Sardinien zu einer beſtimmten Zeit eintreffen und wieder weggehen. Graf Salvadori vervollſtändigt dieſen Bericht. Das Auffallende iſt jedo<h, daß die Vögel, die auf den Seen von Scaffa, Oriſtana und Molentargius bei Cagliari erſcheinen, Mitte Auguſt eintreffen und im März oder in den erſten Apriltagen wieder fortziehen. Salvadori bemühte ſich, etwas über ihr Brutgeſchäft zu erfahren, war aber nicht ſo glü>lih, ein befriedigendes Ergebnis zu erlangen, und es ſcheint alſo, daß ſie nicht oder wenigſtens niht regelmäßig in Ftalien brüten. Nach Afrika ziehen ſie, und von Afrika her kommen ſie geflogen; wahrſcheinlih alſo brüten auch diejenigen, welche während des Winters in Ftalien leben, an den Strandſeen des ſüdlichen Mittelmeeres. Hier ſind ſie Standvögel, die jahraus jahrein dieſelben Seen bewohnen.

Wer, wie ih, Tauſende von Flamingos vereinigt geſehen hat, ſtimmt in die Begeiſterung der übrigen Beobachter ein, denen das Glück wurde, ein ſo großartiges Schauſpiel zu genießen. „Wenn man des Morgens von Cagliari aus gegen die Seen ſieht“ ſchildert der alte Cetti, „ſcheint ſie ein Damm von roten Ziegeln zu umgeben, oder man glaubt eine große Menge von roten Blättern auf ihnen {hwimmen zu ſehen. Es ſind aber die Flamingos, die daſelbſt in ihren Reihen ſtehen und mit ihren roſenroten Flügeln dieſe Täuſchung bewirken. Mit ſ{<öneren Farben ſ<hmüdte ih nie die Göttin des Morgens, glänzender waren nicht die Roſengärten des Päſtus als der Shmu>, den der Flamingo auf ſeinen Flügeln trägt. Es ijt ein lebhaft brennendes Roſenrot, ein Rot erſt aufgeblühter Roſen. Die Griechen benannten den Vogel von dieſer Farbe der Flügelde>federn, die Römer behielten die Benennung bei, und die Franzoſen hatten auh nichts Anderes im Sinne als die brennendroten Flügel, wenn ſie unſeren Vogel „Flamant“ nennen.“ Mir wird der erſte Eindru>, den die Flamingos auf mi<h maten, unvergeßlich bleiben. F< ſchaute über den weiten Menſalehſee himweg und auf Tauſende und andere Tauſende von Vögeln, buchſtäblich auf Hunderttauſende. Das Auge aber blieb haften auf einer langen Feuerlinie von wunderbarer, unbeſchreibliher Pracht. Das Sonnenlicht ſpielte mit den blendendweiß und roſenrot gefiederten Tieren, die ſie bildeten, und herrliche Farben wurden lebendig. Durch irgend etwas aufgeſchre>t, erhob ſih die Maſſe; aus dem wirren Durcheinander, aus den lebendigen Roſen ordnete ſih ein langer, mächtiger Zug in die Keilform der Kraniche, und nunmehr zog die Feuerlinie an dem blauen Himmel dahin. Es war ein Anbli> zum Entzü>ken! Nah und nach ließen ſie ſi< wieder herab, und von neuem ſtellten ſie ſich in altgewohnter Weiſe auf, ſo daß man wiederum meinen mußte, einen zahlreichen Truppenkörper vor ſih zu haben. Das Fernrohr belehrt, daß die Flamingos nicht eine Linie im ſtrengſten Sinne des Wortes bilden, ſondern nur auf weithin nebeneinander ſtehen; aus größerer Entfernung geſehen, erſcheinen ſie aber ſtets wie ein wohlgeordnetes Heer. Die Singaleſen nennen ihce Flamingos „engliſhe Soldatenvögel“ die Südamerikaner geradezu „Soldaten“; ja A. von Humboldt erzählt uns, daß die Einwohner Angoſturas eines Tages kurz na<h Gründung der Stadt in die größte Beſtürzung gerieten, als ſih einmal gegen Süden Reiher und „Soldatenvögel“ erbli>en ließen. Sie glaubten ſih von einem Überfall der Jndianex bedroht, und obgleich einige Leute, die mit dieſer Täuſhung bekannt waren, die Sache aufklärten,