Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Tölpel: Flug. Stimme. Brutplähße. Fortpflanzung. 563

denn ex läßt ſi lieber vom Winde treiben, als daß er rudert, ſcheint überhaupt jede Bewegung mit den Füßen nux als Nothilfe anzuſehen. Der Flug iſt eigentümlih, minder ausgezeihnet wohl als der der Sturmvögel und anderer Langſchwinger, aber doh noch immer vortrefflih. Nach einigen raſh ſih folgenden Flügelſ<hlägen gleitet der Tölpel eine Zeitlang pfeilſchnell dur die Luft, niht in ruhiger Weiſe ſ{hwebend, ſondern unter Annahme der verſchiedenſten Stellungen eilfertig dahinſchießend, plöglih ſ{wenkend, wieder flatternd, von neuem ſchwebend, zeitweilig kreiſend, ohne Flügelſchlag ſich drehend und wieder dahinſtürmend, bald dicht über dem Waſſer hinfliegend, bald zu bedeutenden Höhen emporſtrebend. Als echter Stoßtaucher erwirbt er ſih ſeine Nahrung nur fliegend, indem er ſich aus einer gewiſſen Höhe auf das Waſſer hinabſtürzt und mit ſolcher Gewalt eindringt, daß er ſih zuweilen den Kopf an verborgenen Klippen zerſchellt. Seine Stimme beſteht aus furzen, abgebrochenen, krähzenden Lauten, die man ungefähr durch die Silben „rab rab rab“ ausdrü>en kann. Die Fungen ſollen abſcheuli< kreiſchen. Hinſichtlich der geiſtigen Eigenſchaften gilt ungefähr, was ih weiter oben von den Seevögeln überhaupt bemerkte. Die Tölpel haben keine Gelegenheit, den Menſchen kennen zu lernen, und benehmen ſich ihm gegenüber oft ſo, daß ſie ihren Namen wirklich bethätigen, verlieren, wenn ſie ſih nicht mehr auf dem Meere befinden, förmlich die Beſinnung und laſſen dann, obſchon nicht widerſtandslos,/ vieles über ſi<h ergehen, ſcheinen au<h wenig dur< fortgeſeßte Verfolgung zu lernen. Anderen Vögeln gegenüber zeigen ſie ſi< hämiſh und biſſig, und in den großen Vereinen nimmt das Zanken und Beißen kein Ende. FJhr gewaltiger Schnabel iſ eine ſo fur<htbare Waffe, daß ſie ſich vor keinem anderen Seevogel zu fürhten brauchen; gleihwohl ſollen ſie dur< den Fregattvogel und die Shmaroßermöwen vielfah geängſtigt und zum Ausbrechen aufgenommener Nahrung genötigt werden.

Wenn man einmal Tölpel in der Nähe ihrer Brutpläße ſah, begreift man, daß dur ſie Guanoberge entſtehen konnten. „Fhre Flüge beeinträchtigen das Sonnenlicht, und ihre Stimmen betäuben die Sinne desjenigen, welcher ſih den Brutpläßen nähert.“ Sie erſcheinen gegen das Ende des April auf dieſen Fuſeln und verlaſſen ſie gegen den Oktober wieder. Jhre Neſter werden dicht nebeneinander angelegt, ſo daß man an vielen Stellen kaum dazwiſchen durhgehen kann. Die erſten, die erbaut werden, ſind ſehr groß, die ſpäteren klein, weil ſih die leßten Paare einfa begnügen müſſen, zwiſchen denen der erſtangekommenen zu bauen. Allerlei ohne Ordnung durchéinander geſchichtete Land- und Meergräſer bilden die Wandungen. Fedes Weibchen legt nur ein einziges, verhältnismäßig kleines, 8 cm langes und 5 cm dies, falkfruſtiges Ei, das im Anfange weiß ausſieht, während der Bebrütung aber von den Neſtſtoffen \{<mutig gelbbraun gefärbt wird. Anfang Juni findet man die eben ausgeſ<lüpften Jungen; Ende Juli ſind ſie bereits halb erwachſen, jedo<h no< immer mit kurzem, gelbweißem Flaum bekleidet. „Fm Jahre 1821“, ſchildert Faber, „war ih zu dieſer Zeit auf den Weſtmanöern und beſtieg die kleine Felſeninſel, auf welcher dieſer Vogel brütet. Funge und Alte ſtimmten bei meiner Ankunft eine übelklingende Muſik an, die aus einem einzigen Laute, einem tiefen harten „Arrr‘ beſtand, rührten ſi< aber niht von der Stelle, ſo daß ih ſo viele Alte nebſt den Jungen mit den Händen greifen Éonnte, wie ih wollte. Die Neſter lagen dicht nebeneinander, der Boden war aber infolge der ſ<mußigen Neſter und ausgewürgten Fiſche und anderweitigen Nahrungsmittel ſo ſ<lüpfrig, daß ih Gefahr lief, von der ſhrägen Klippe hinabzuſtürzen. Merkwürdig war, daß beinahe ein Drittel der Neſter faule Eier hatte, dieſe aber dennoch von den Alten bebrütet wurden; ja, daß die leßteren ſogar, von dem zu dieſer Jahreszeit erwahten Ernährungstriebe irre geführt, ſowohl vor den Neſtern mit faulen Eiern als vor denen, die Junge enthielten, Nahrung ausgewürgt hatten. Es war für mich eins der anziehendſten Schauſpiele, die Tölpel ununterbrochen fiſchen zu ſehen. Wenn ſie volle Ladung in der Speiſeröhre

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