Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

46 Siebente Ordnung: Suchvögel; erſte Familie: Regenpfeifer.

„Zwei norwegiſche Meilen von dem Gehöfte Melbo auf den Lofoten liegt die Pfarrkirche Bö und dicht neben ihr das Pfarrhaus. Jn ihm lebt ein liebenswürdiger Mann, bekannt als Pfarrer, bekannter no< als Maler. Den ſuchen Sie auf, und wenn Sie es nicht ſeinetwillen thun wollen, ſo müſſen Sie es thun der Waſſertreter halber, die Sie dort in unmittelbarer Nähe e werden: 300 Schritt öſtlich von dieſem Pfarrhauſe liegen fünf kleine, mit Gras umſtandene Süßwaſſerteiche; auf ihnen werden Sie die Vögel finden, na< welchen Sie mich gefragt haben.“ So ſagte mir der Forſtmeiſter Barth, bei welhem ih mir Nats erholte, bevor ih mi< den Ländern zuwandte, in welchen 4 Monate im Jahre die Sonne niht untergeht. Fh begab mich auf die Reiſe, benugte jede Gelegenheit, um mit der Vogelwelt bekannt zu werden, ſuchte jeden riedumſtandenen Süßwaſſerſee ab und ſpähte vergeblih na den erſehnten Vögeln. Endlich kam ih na<h Bö, fand bei dem Pfarrer freundliche Aufnahme und ließ mir die köſtlihen Bilder zeigen , die der einſame Mann da oben zu ſeiner eignen Genugthuung malt; dann aber fragte ih, zu nicht geringer Überraſchung des Wirtes nah den bewußten enen Seen. Wir brachen auf, erreichten ſie nah wenigen hundert Schritten, und — auf dem erſten {hon ſ{<wamm ein Pärchen des Waſſertreters umher, auf dem zweiten ein zweites, auf einem der übrigen no< ein drittes. Später habe ih freili<h noh viele andere gefunden; denn in Lappland gehören ſie niht zu den Seltenheiten, und in der Tundra der Samojedenhalbinſel ſind ſie überaus häufig: ſo aber, wie an jenem Tage, haben ſie mi<h doh nie wieder entzü>t und hingeriſſen.

Die Waſſertreter (Phalaropus) kennzeihnen ſi< dur< mittellangen, geraden, ſehr ſchwachen, niedergedrückten, an der Spiße etwas abwärts gebogenen, auh wohl abgeplatteten Schnabel, niedrige, ſ<wache Füße, deren drei Vorderzehen dur<h halbe Shwimmhäute verbunden und beiderſeitig mit bogigen, am Rande fein gezähnelten Hautlappen beſet ſind, lange, ſpißige Flügel, unter deren Schwingen die erſte alle anderen überragt, kurzen, zugerundeten, zwölffederigen Schwanz, ſehr verlängerte Shwanzde>en und ungemein reiches Gefieder, ſtimmen dagegen hinſihtlih ihres innecen Baues faſt vollſtändig mit den verwandten Gattungen überein.

Das Gefieder des Waſſertreters, von den Jsländern Ddins henne genannt (Phalaropus hyperboreus, yperboreus, cinerenus, cinerascens, fuscus, vulgaris, ruficollis, angustirostris, lobatus und australis, Tringa hyperborea, lobata und fusca, Lobipes hyperborea), iſt auf dem Oberförper ſ<hwarzgrau, auf dem Unterrücen und den Schultern ſhwarz und voſtgelblih gerändert, an den Seiten des Hinterhalſes roſtrot, auf der Kehle und den Unterteilen weiß, an dem Kropfe und an den Seiten grau; die weißſhaſtigen Swingen ſind ſ<hwärzlih, an der Wurzel weiß, die Flügelde>federn am Ende “ weiß geſäumt, dié Schwanzfedern braun. Beim Weibchen iſt die Färbung lebhafter, das Grauſhwarz des Oberkörpers ſamtglänzend, die Halsfärbung und ebenſo die der Untergurgel hochrot, die des Kropfes und der Seiten ſ{hwarzgrau. Das Auge iſt braun, der Schnabel ſhwarz, der Fuß bleigrau, deſſen innere Shwimmhäute und Säume gelblich, die äußeren aber grau. Die Länge beträgt beim Männchen 18, die Breite 33, die Fittithlänge 10, die Shwanzlänge 5 cm; das Weibchen iſt merklih größer.

Jm höheren Norden wird dieſe Art dur<h den Pfuhlwaſſertreter (Phalaropus fulicarius, rufus, rufescens, griseus, glacialis, platyrhynchus, platyrostris und agsliaticus, Tringa fulicaria und glacialis, Crymophilus rufus) erſet. Als Merkmal gilt der ktopflange, breite, an der Spitze platte und übergebogene Shnabel und der etwas längere Schwanz; in allem übrigen ſtimmen beide Vögel miteinander überein. Der