Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

616 Zehnte Ordnung: Stoß vögel; ſe<zehnte Familie: Entenvögel.

die ſie in ſehr bedeutender Höhe auszuführen pflegen, und das Männchen macht dem Weibhen in ausdru>svoller Weiſe den Hof. Am Neſte ſind beide niht im geringſten heu; der Gänſerih verteidigt Gattin und Brut gegen jeden nahenden Feind, geht ſogar ziſchend auf den Menſchen los, der dieſe oder jene gefährdet. Führt das Paar Junge, ſo erhöht ſich der Mut beider Eltern no< weſentlih. Gegen Ende Juli tritt die Mauſer ein und macht die Alten ebenſo flugunfähig wie die Jungen.“

Jm hohen Norden ſtellen Eskimos und Walfänger auch der Ringelgans nah; an den ſüdlichen Küſten wird ſie im Herbſte und Frühlinge zu Tauſenden erlegt, in Holland mit Hilfe ausgeſtellter Lo>gänſe in noh größerer Anzahl gefangen. Jhr Wildbret gilt als wohlſhme>end, hat jedo<h oft einen ranzigen Beigeſhma> der niht jedermann behagen will. Da er von der Muſchelnahrung herrührt, pflegt man in Holland die eingefangenen Meergänſe einige Zeit lang mit Getreide zu füttern, zu mäſten und dann exſt zu ſ{hlachten.

Von Nordamerika ſoll fich die Shwanengans (Pranta canadensis, Anser canadensis, parvipes und leucopareius, Bernicla canadensis, occidentalis und leucopareia, Cygnus, Cygnopsis und Leucoblepharon canadensis) nah Europa verflogen haben. Kopf und Hinterhals ſind ſ{hwarz, Wangengegend, Kehle und Gurgel weiß oder grauweiß, die Oberteile bräunlichgrau, an den Rändern der Federn heller, Bruſt und Oberhals aſhgrau, die Unterteile im übrigen rein weiß, die Handſhwingen ſ{hwarzbraun, die Armſchwingen und die Steuerfedern, 16 oder 18 an der Zahl, ſhwarz. Das Auge iſt graubraun, der S{nabel ſchwarz, der Fuß hwarzgrau. Die Länge des Männchens beträgt 93, die Breite 168, die Fittichlänge 48, die Schwanzlänge 20 cm. Das Weibchen iſt etwas kleiner.

Die Schwanengans wird in ganz Nordamerika gefunden, brütet aber niht mehr in den ſüdlichen Teilen der Vereinigten Staaten, ſondern hat ſi ſeit Erſcheinen des Weißen nach Norden zurü>gezogen und wird von Fahr zu Jahr weiter zurü>gedrängt. Fn größeren, ſhwer zugänglichen Sümpfen der mittleren Staaten brüten übrigens noch alljährlich einzelne Paare, und während des Zuges im Winter beſuchen ſie alle Staaten. Vom Norden kommend, erſcheinen ſie in Geſellſchaften von 20—30 zu Ende Oktober, zuweilen früher, zuweilen ſpäter, ſeßen ſih in Nahrung verſprechenden Gegenden feſt, ſtreichen bald wieder nah Norden zurü>, bald mehr na<h Süden hinab, verbringen ſo den Winter und treten im April oder Anfang Mai ihre Rü>reiſe nah den Brutpläßen an, die heutzutage größtenteils in den Ödländern zwiſchen dem 50. und 67. Grade nördlicher Breite zu ſuchen ſind.

Weſen und Eigenſchaften, Sitten und Gewohnheiten der Shwanengans ähneln denen unſerer Wildgans faſt in jeder Hinſicht; nur die Stimme, ein lautes, wie „garuk gauk räh ruh rauf hurruräit“ klingendes Geſchrei, erinnert mehr an die Laute des Shwanes als an die der Graugans. FJhre Bewegungen auf dem Lande oder im Waſſer dagegen, die Art des Fliegens, die Flugordnung 2c. ſind bei jener dieſelben wie bei dieſer, und auch die geiſtigen Fähigkeiten ſcheinen gleihmäßig entwidelt zu ſein. Alle Beobachter rühmen die außerordentliche Sinnesſchärfe, die Klugheit, Vorſicht, Liſt, Verſhhlagenheit, kurz, den Verſtand der Schwanengans und ſprechen mit derſelben Achtung von ihr, mit welcher unſere Jäger von der Wildgans reden. Sie iſt ſtets vorſichtig, aber weniger ſcheu im Fnneren des Landes als an den Seeküſten, oder auf kleineren Teichen minder ängſtlih als auf größeren Seen. Beim Weiden ſtellt ſie regelmäßig Wachen aus, und dieſe benahhrichtigen die Geſellſchaft von jedem gefährlichen Feinde, welcher ſich zeigt. Eine Herde Vich oder ein Trupp wilder Büffel bringt ſie niht in Unruhe, ein Bär oder Kuguar wird ſofort angezeigt, und der ganze Haufe nimmt dann ſchleunigſt ſeinen Weg dem Waſſer zu. Verſucht