Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

620 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; ſehzehnte Familie: Entenvögel.

die Schwanzlänge 14 em. Das Weibchen iſt demm Männchen ſehr ähnlich, jedoch etwas kleinex, ſeine Zeichnung minder ſ{hön und der Bruſtfle>en niht ſo ausgedehnt.

Afrika von Ägypten an bis zum Kaplande und von der Oſtküſte an bis weit ins Jnnere iſ die Heimat dieſer Gans; an der Weſtküſte ſcheint ſie zu fehlen. Von Afrika aus hat ſie ſi<h in Paläſtina und Syrien angeſiedelt und wiederholt nah Griechenland, Süditalien und Südſpanien verflogen. Db diejenigen Nilgänſe, welhe man in Nord- und Weſtfrankreich, in Belgien und Deutſchland erlegte, zu den Jrrlingen gezählt werden dürfen, oder der Gefangenſchaft entflogen waren, ſteht dahin.

Während meiner Reiſen in Afrika habe ih den ſ{<önen, auf den altägyptiſchen Denkmälern vielfach abgebildeten Vogel ſehr häufig beobachtet. Fn Unterägypten kommt die Nilgans ſelten vox, von Oberägypten nah Süden zu vermißt man ſie nux an den ungünſtigſten Stellen des Stromes, d. h. bloß da, wo er re<ts und links Felſenmauern beſpült und keinen Naum für größere Fnſeln gewährt. Schon in Südnubien begegnet man zahlreicheren Geſellſchaften von ihr, und im Sudan gehört ſie zu den regelmäßigen Erſcheinungen an beiden Strömen, fehlt auch den fern von dieſen liegenden Regenteichen und ſonſtigen Gewäſſern niht. Während der Brutzeit ſieht man ſie paarweiſe und dann in Geſellſchaft der Jungen; ſpäter vereinigen ſih mehrere Familien, und gegen die Mauſerzeit hin, die ſie übrigens nicht flugunfähig macht, gewahrt man unzählbare Scharen von ihr, die zuweilen meilenweit beide Ufer der Ströme bede>en. Gelegentlich einer Reiſe auf dem Weißen Nil ſah ih, wie {hon bemerkt, drei Tage lang die Stromufer mit einem unendlichen Vogelheere bevölkert, und unter dieſem war die Nilgans eine derjenigen Arten, welche am zahlreihſten auftraten. Fern vom Gewäſſer ſieht man leßtere übrigens nur in hoher Luft dahinfliegen. Sie ſcheint ſtreng an das Waſſer, insbeſondere an das Süßwaſſer, gebunden zu ſein; aber ſie iſt inſofern begnügſam, als ſ{<hon ein Regenſtrom, der nur hier und da noh einen kleinen Waſſertümpel beſißt, ihren Anforderungen entſpricht. Doch zieht ſie Gegenden, in welchen die Stromufer bewaldet ſind, allen übrigen vox, weil ſie am liebſten im Walde und auf Bäumen brütet. Jm nördlichen Nilgebiete bilden Fnſeln und Sandbänke im Strome ihren bevorzugten Aufenthalt. Von ihnen aus fliegt ſie dann nach den Feldern hinaus, um daſelbſt zu äſen, und auf ihnen verſammelt

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ſie ſih wieder, um auszuruhen oder ſi< zu unterhalten. Fedes Paar bewohnt und bewacht eiferſüchtig ein gewiſſes Gebiet; die Männchen aber geſellen ſih gern zu einander, um ein Stündchen zu verplaudern oder unter Umſtänden einen Kampf auszufecten.

Die Nilgans mwetteifert im Laufen mit der ho<hbeinigen Sporengans, ſ<wimmt mit tief eingeſenkter Bruſt ſehr geſhi>t, taucht, verfolgt, raſh, anhaltend und in größere Tiefen oder ſ<wimmt auf weite Stre>en unter dem Waſſer dahin, hier mit Füßen und Flügeln rudernd, und fliegt unter ſtarkem Rauſchen, aber doch leiht und ſhnell, wenn ſie ſich paarweiſe hält, dicht hintereinander, wenn ſie ſih maſſenhaft erhebt, in einem wirren Haufen, der jedo< die Keilordnung annimmt, wenn weitere Stre>en durhmeſſen werden follen. Die Stimme iſ nicht laut und klingt ſonderbar heiſer und verſtimmt ſ{hmetternd, wie Töne, die mit einer ſ<hle<ten Trompete hervorgebraht werden. Beſonders auffallend wird das Geſchrei, wenn irgend welche Beſorgnis die Gemüter erfüllt oder das Männchen in Zorn gerät. Dann vernimmt man zuerſt das heiſere „Kähk kähk“ und von den anderen zur Antwort ein herbes „Täng täng“, worauf beide lauter und ſ{hmetternder zu: ſammen ſchreien , ungefähr wie „täng tängterrrrängtängtängtäng“ 2c. Beſonders laut ſchreit das Paar oder die Geſellſchaft vor dem Auſffliegen, ſeltener in der Luft. Die Nilgans iſ unter allen Umſtänden vorſichtig, ſtets bedacht, ſich zu ſichern, mißtrauiſch im höchſten Grade, wird, wenn ſie Verfolgungen erfährt, ſo ſcheu wie irgend eine andere Gans und weiß die Entfernung abzuſchäßen, unterſcheidet auh den Fremden ſofort von dem