Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Nilgans: Verbreitung. Lebensweiſe. Stimme. Weſen. Fortpflanzung. 621

Eingeborenen, den ſie weniger fürhtet. Minder anziehend iſt ihr Weſen. Sie gehört zu den herrſhſüchtigſten und boshafteſten Vögeln, die es gibt, und lebt troß der Vereinigungen, die ſie mit ihresgleihen eingeht, niht einmal mit dieſen in Frieden. Während der Paarungszeit kämpfen die Männchen buchſtäblih auf Leben und Tod miteinander, thun dies wenigſtens in der Gefangenſchaft, verfolgen ſih unter lebhaftem Schelten wütend und unabläſſig, verbeißen ſih ineinander, ſchlagen ſih mit den Flügeln und erſchöpfen ſi gegenſeitig bis zum Umſinken. Einzelne Gänſeriche unterjochen niht nur die Enten des Weihers, auf welhem ſie ſi<h befinden, ſondern beugen auh größere Gänſe unter ihr Zepter, werden immer kühner und tolldreiſter, wagen ſih ſ{ließlih an andere Tiere und gehen unter Umſtänden ſelbſt dem Menſchen zu Leibe. Bringt man zu einem folhen Männchen ein zweites, gleichviel ob allein oder in Geſellſchaft eines anderen Weibchens ſo ſtürzt ſih dieſes wie ein Raubvogel auf den Eindringling und ſucht ihn ſo bald wie möglih unſchädlih zu machen. Durch Schnabelhiebe und Flügelſchläge weiß es ihn niht umzubringen; aber es tötet ihn doh, dur< Ertränken nämlih, nahdem es den Gegner vorher ſo abgemattet, daß dieſer es ſih willenlos gefallen laſſen muß, wenn der Sieger auf ſeinen Nücken ſteigt, ihn mit dem Schnabel im Geni>ke pa>t und nun den Kopf ſo lange unter Waſſer drückt, bis Exſti>ung eingetreten iſt.

Nach Art unſerer Wildgänſe weidet die Nilgans auf Feldern, nah Art der Enten gründelt ſie im Schlamme der Buchten, im Strome; ja, ſie holt ſi<h wohl au< dur< Tauchen irgend ein Waſſertier vom Grunde des Fluſſes herauf. Funge Nilgänſe freſſen, wenigſtens zeitweilig, leidenſchaftlih gern Heuſchre>en; ältere nehmen auch tieriſche Stoffe zu ſich, ſcheinen aber Fiſche zu verſhmähen; wenigſtens habe ih nie das Gegenteil beobachtet.

Jn baumloſen Gegenden mag es vorkommen, daß die Nilgans ſich entſchließt, in hoch gelegenen Felſenniſhen oder auf bloßer Erde zu brüten; da, wo der Wald den Strom begrenzt oder auh nur ein einzelner paſſender Baum womöglih am Ufer oder doch in deſſen Nähe ſteht, legt ſie ihr Neſt ſtets auf Bäumen an, in Nordoſtafrika am liebſten auf einer dornigen Mimoſenart. Es beſteht größtenteils aus den Äſten des Baumes ſelbſt, iſt jedo< mit feineren Reiſern und Gräſern weich ausgekleidet. Die Anzahl der Eier ſhwankt nah meinen Beobachtungen zwiſchen 4 und 6, nah Behauptung meiner hwarzen Jäger auch 10 und 12 ſehr rundlichen, dur<ſchnittli< 64 mm langen, 47 mm dien, ſtark- und glattſchaligen, gelbliGweißen Eiern. Die Brutzeit ſelb#| richtet ſi< na< dem Eintritt des Frühlings. So niſten die Nilgänſe in Ägypten Anfang März, die im Sudan erſt nah Eintritt der Regenzeit, Anfang September. Die Gans brütet allein und zeitigt die Eier binnen 27—28 Tagen; der Gänſerih hält treue Wacht, ſißt ſtets in deren Nähe und kündet dur<h warnende Laute jede ſih nähernde Gefahr. Einmal tägli, und zwar in den Nachmittagsſtunden, verläßt das brütende Weibchen die Eier, de>t ſie aber vorher ſtets ſorgfältig mit den Daunen zu. Die Jungen werden bald an den Strom gebracht und entgehen ſelbſt auf freien, d. h. niht dur< Buſch oder Riedgras geſicherten Jnſeln einer etwaigen Verfolgung, weil ſie bei Gefahr eiligſt dem Waſſer zulaufen und ganz vortrefflich zu tauchen verſtehen. Sie werden in ähnlicher Weiſe erzogen wie die Jungen der Graugänſe und vereinigen ſih, nahdem ſie erwachſen ſind, mit anderen in Geſellſchaften.

Jn Ägypten jagen die Nilgans Türken und Europäer; im Oſtſudan ſcheint ſie nux in den Adlern und in den Krokodilen gefährliche Feinde zu haben Das Wildbret unterſcheidet ſich, ſoweit ih zu urteilen im ſtande bin, niht von dem anderer Wildgansarten; das der Zungen iſt höchſt ſ<hma>haft, das der Alten zwar zäh und hart, zur Suppe aber vorireffli<h zu gebrauchen.