Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

628 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; ſe<hzehnte Familie: Entenvögel.

neßartig durchkreuzen und ſo zur Anlage der Neſter dienen. Jede Niſtſtelle wird mit einem aus Naſen beſtehenden, genau \{ließenden Deel verſehen, der ſih abheben läßt und Unterſuchung des Neſtes geſtattet, die Niſtſtelle ſelbſt mit troŒenem Geniſte und Mooſe belegt, damit die ankommenden Vögel die ihnen nötigen Stoffe gleich vorfinden mögen. Dieſe Baue werden von den Brandgänſen regelmäßig bezogen, au< wenn ſie ſi in unmittelbarer Nähe von Gebäuden befinden ſollten; ja, die Vögel gewöhnen ſih na<h und nach ſo an die Beſiger, daß ſie ſich, wenn ſie brüten, unglaublich viel gefallen laſſen. Stört man das Weibchen nicht, ſo legt es 7—12 große, etwa 70 mm lange und 50 mm dice, weiße, glatt- und feſtſchalige Eier und beginnt dann eifrig zu brüten. Nimmt man ihm, wie es auf Sylt geſchieht, die Eier weg, ſo zwingt man es, daß es 20— 30 legt. Nach und na< umgibt es das Gelege mit Daunen und de>t auh beim Weggehen ſtets das Neſt mit ihm ſorgfältig zu. Es liebt die Eier ſehr und weicht niht vom Neſte, bis man es faſt greifen kann. Die, die in den künſtlihen Neſtbauen auf Sylt brüten, ſind ſo zahm, daß ſie beim behutſamen Aufheben des erwähnten De>els ſißen bleiben und erſt ſeitwärts in eine Nebenhöhle {lüpfen, wenn man ſie berührt. Bei Beſichtigung der Baue pflegt man vorher den einzigen Ausgang zu verſtopfen, damit die Gänſe niht herauspoltern und ſcheu werden. Nach beendeter Muſterung der Neſter öffnet man die Hauptröhre wieder; dann aber kommt keine der Brutgänſe zum Vorſchein: jede begibt ſih vielmehr wieder auf ihr Neſt. Die, die eine kurze, hinten geſ<hloſſene Höhle bewohnen, laſſen ſih auf den Eiern leicht ergreifen, verteidigen ſi dabei aber mit dem Schnabel und fauchen dazu wie eine Kage oder ſtoßen, mehr aus Ärger als Angſt, ſha>ernde Töne aus. Nach vollendeter Brutzeit, die 26 Tage währt, führt die Mutter ihre Jungen der nächſten Stelle des Meeres zu, verweilt unterwegs aber gern einige Tage auf den am Wege liegenden ſüßen Gewäſſern. Die wandernde Schar kann man leicht erhaſchen, während dies faſt ein Ding der Unmöglichkeit iſt, wenn die Familie bereits tieferes Waſſer erreicht hat; denn die Jungen tauchen vom erſten Tage ihres Lebens an vortrefflich. Übrigens verſucht die Mutter, ihre Kinder nach beſten Kräften zu verteidigen, indem ſie entweder dem Feinde kühn zu Leibe geht, oder ihn dur<h Verſtellung zu täuſchen ſucht.

Für die Bewohner von Sylt und anderen Fnſeln der Nordſee iſt die Brandgans nicht ganz ohne Bedeutung. Die Eier, die man nah und nah dem Neſte entnimmt, werden, obgleih ihr Geſhma> niht jedermann behagt, geſhäßt, und die Daunen, die man nah vollendeter Brutzeit aus den Neſtern holt, ſtehen denen der Eiderenten kaum nach und übertreffen ſie no< an Sauberkeit. Das Wildbret der alten Vögel wird niht gerühmt, weil es einen ranzigen oder thranigen Geſhma> und widerlichen Geruch hat.

Fung eingefangene Brandgänſe laſſen ſi<h bei entſprehender Pflege ohne ſonderliche Mühe großziehen, werden ſehr zahm und erlangen auh in der Gefangenſchaft ihre volle Schönheit, ſchreiten aber do< nur ſelten zur Fortpflanzung.

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Jm Fahre 1827 wurde in England, laut Yarrell, zur großen Überraſchung der Forſcher eine im Fnneren Afrikas heimiſche Art der Familie, die Sporengans (Plectropterus gambensis, brevyirostris, rueppellii und sclateri, Anser, Anas und Cygnus gambensïs), erlegt und ihr ſomit das europäiſche Bürgerrecht zuerteilt. Die gedachte Art unterſcheidet ſih niht unweſentlih von den anderen Gänſen und wurde demgemäß zum Vertreter einer beſonderen gleihnamigen Gattung (Plectropterus) erhoben. Jhre Merkmale ſind: bedeutende Größe, ſ{<hlanker Leib, langer Hals, großer, ſtarker, an der Wurzel des Oberſchnabels hö>erig aufgetriebener Schnabel, verhältnismäßig ſehr hohe, noh über der Ferſe na>te Beine, langzehige Füße mit großen Shwimmhäuten, lange, ſpibige Flügel mit beſonders entwi>elten Oberarmfedern und zu ſtarken Sporen ausgebildeten