Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Brandgans: Stimme, Nahrung. Wahl der Niſtſtätten. 627

verſpeiſt haben konnte. Fragt man, warum der mörderiſche Fuchs, der faſt kein Tier verſchont, das er überwältigen kann, bei unſerer Gans eine Ausnahme mache, ſo glaube ih antworten zu können, daß dek außerordentliche Mut, den dieſe beſit, ihm Achtung einflößt. Nicht nur alte Vögel beſißen dieſen Mut in hohem Grade, ſondern auh die Jungen. Erſt vor wenigen Tagen dem Eie entſchlüpfte Brandgänſe ſah ih größerem Geflügel und anderen Tieren, wie kleinen Hunden, Kaninchen 2c., die Spibe bieten. Anſtatt vor ihnen zu fliehen, bleiben ſie mutig ſtehen und wiegen den aus8geſtre>ten Hals hin und hex, zornig den Gegenſtand ihres Unwillens anbli>end und erſt zurü>kweichend, wenn ſie ſih vor einem Angriffe ſicher wähnen. Bei alten Vögeln, die paarweiſe zuſammenhalten, tritt vorzugsweiſe das Männchen kräftig auf, ſtets in der genannten Stellung vor dem Gegner einen eigentümlich ziſhenden Ton ausſtoßend, und greift jene, welche es dur kühne und zornige Blicke unſicher gemacht, tapfer an. Gelingt es, den Feind in die Flucht zu ſ{hlagen, ſo kehrt es zum Weibchen zurüd>, das der Gefahr gleichfalls mutig trogt und dem Männchen hilfreich zur Seite ſteht, wenngleih es niht ſo angreifend verfährt: und unter vielen Verbeugungen voreinander und lautem Schreien freuen ſie ſih des errungenen Sieges.“

Förſter Grömelbein bemerkte, als er ſi<h Anfang Mai in bedeutender Entfernung von der Küſte im Walde beſchäftigte, ein Brandgänſepaar, das ihn und die Arbeiter wiederholt umkreiſte und ſih öfters niht fern auf einer höheren Stelle des Sandfeldes niederließ. Das Männchen blieb als Wache außen ſtehen, während ſih das Weibchen einer Vertiefung des Hügels zuwandte, gemächlich hinabſtieg und nun wohl eine Viertelſtunde unten verweilte. Als es wieder zum- Vorſchein gekommen, ſih dem Gatten genähert und anſcheinend mit ihm unterhalten hatte, erhoben ſih beide zu einigen Kreisflügen und ließen ſi<h dann in den nächſten Umgebungen an den verſchiedenſten Stellen nieder, augenſcheinlih in der Abſiht, den Beobachter irre zu führen. Dieſer eilte zu dem Hügel, ſah hier die ihm wohlbekannte Fuchsröhre und fand ſie mit den friſhen Fährten der Gänſe und des Fuchſes, ebenſo auch mit der Loſung bezeichnet. Nah mehrtägiger Beobachtung zeigte ſich, daß die Gänſe, wahrſcheinlih um die arbeitenden Leute zu täuſchen, nur zum Schein in dieſen Bau gekrochen waren, eigentlih aber einen viel größeren, von Füchſen und Dachſen zugleich bewohnten Bau im Sinne gehabt hatten. Genauere Beſichtigung ergab, daß der Dachs regelmäßig aus und ein wanderte und ſih um die Beſucher ſeiner bis zur Tiefe von 3 m niederführenden Röhre nicht zu kümmern ſchien; denn die Spuren und Fährten beider zeigten \ih ganz friſh und waren bis in die Tiefe von 2 m hinab deutlich zu erkennen. Vor anderen Röhren desfelben Baues, durch welche Füchſe aus- und einzugehen pflegten, war der Boden glatt- und feſtgetreten von den Gänſen, und wie in Wachs abgedrüt ſtand die zierliche fleine Fährte der Füchſin zwiſchen denen der Gänſe. Unſer Beobachter legte ſich jeßt hinter einem Walle auf die Lauer, dem Baue nahe genug, um alles, was dabei vorging, genau gewahren zu können. Die ſhlauen Gänſe ließen nicht lange auf ſih warten, verſuchten erſt die Arbeiter an der oben erwähnten Stelle zu täuſchen, kamen dann ganz unerwartet, dicht über dem Boden herfliegend, von der entgegengeſeßten Seite an, ließen ſih auf dem Hauptbaue nieder, ſchauten ſi< ein Weilchen um und begannen, als ſie ſih unbeobachtet glaubten, in ihrer Art emſig die dur< häufiges Ausgraben der Bewohner des Baues entſtandenen Höhen und Vertiefungen zu durhwandeln, ſo ruhig und ſicher etwa, wie unſere Hausgänſe zur Legezeit auf ihnen bekannten Höfen umhergehen. Bald verſhwanden \ie in der Mündung der größeren Fuchsröhre und blieben cine halbe Stunde lang unſichtbar. Endlich ïam eine zum Vorſchein, beſtieg raſh den Hügel, unter welchem die Röhre ausmündete, ſah ſih aufmerkſam nach allen Nichtungen um und flog nun gemähli< na< den Wieſen hin.

Auf Sylt legt man künſtlihe Bauten an, indem man auf niedrigen, mit Raſen überfleideten Dünenhügeln wagerechte Röhren bildet die ſi< im Mittelpunkte des Hügels

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