Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

626 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; ſe<zehnte Familie: Entenvögel.

zuweilen ausgedehnte Stre>en und zeichnet ſih wegen der lebhaft voneinander abſtehenden Farben {hon aus weiter Entfernung vor allen übrigen aus. Auf den ſ{hleswigſchen, jütländiſchen und däniſchen Fnſeln, wo ſie als halber Hausvogel gehegt und gepflegt wird, trägt ſie zur Belebung der Gegend weſentlih bei und ruft mit Recht das Entzücken der Fremden wach, wenn ſie ſi<h, wie Naumann ſchildert, „meiſt paarweiſe und Paar bei Paar höchſt maleriſh auf einer grünen Fläche ohne Baum, einem kleinen Thale zwiſchen den na>ten Sanddünen verteilt“. Fn ihrem Weſen und Bewegungen ähnelt ſie der Fuchsgans, geht zwar etwas ſ{hwerfälliger als dieſe, bekundet dafür aber im Schwimmen größere Meiſterſchaft. Die Stimme hat mit der anderer Gänſe wenig Ähnlichkeit; der Lockton des Weibchens iſt ein Entenquaken, der des Männchens ein tiefes „Korr“ der Paarungslaut ein ſ{hwer wiederzugebendes ſingendes Pfeifen, das Naumann durch die Silben „iuioiatuiei“ 2c. auszudrü>en verſucht. Hohe Entwickelung ihrer geiſtigen Fähigkeiten beweiſt die Brandgans am deutlichſten dur< ihre Anhänglichkeit an den Menſchen. Auch ſie iſt ſcheu und vorſichtig, lernt aber bald erkennen, ob dieſer ihr freundlich zugethan iſt oder niht, und zeigt ſih, wenn ſie ſi<h ſeines Schußes verſichert hat, ſo zuthulih, daß ſie ihm eben nur aus dem Wege geht, nimmt auch die für ſie hergerichteten Niſthöhlen ohne Bedenken in Beſiß, wogegen ſie da, wo ſie Gefahr zu befürchten hat, den Schüßen ſtets mit größter Umſicht ausweicht. Mit anderen ihrer Art lebt ſie bis zu einem gewiſſen Grade ſelbſt während der Brutzeit geſellig; um fremdartige Verwandte kümmert auch ſie ſih wenig. Jhre Nahrung beſteht vorzugsweiſe ebenfalls aus Pflanzenſtoffen, insbeſondere aus den zarten Teilen der Seegewächſe oder anderer Kräuter, die überhaupt im ſalzigen Waſſer wachſen, aus Sämereien, verſchiedenen Gras- und Binſenarten, Getreidekörnern und dergleichen ; tieriſhe Stoffe ſind jedoh zu ihrem Wohlbefinden unumgänglich notwendige Bedingung, und hierin ſpricht ſich ihre Mittelſtellung beſonders deutlih aus. Während ihres Freilebens ſtellt ſie kleinen Fiſchen, Weich- und Kerbtieren eifrig nah; in der Gefangenſchaft ſtürzt ſie fich gierig auf die ihr vorgeworfenen Fiſche, Krabben und dergleichen, frißt auch gern rohes Fleiſh. Sie erbeutet ihre Nahrung weniger ſ{hwimmend als laufend, erſcheint mit zurüktretender Ebbe auf den Watten, läuft wie ein Strandvogel an deren Rande umher und fiſcht die Waſſertümpel ſorgfältig aus. Fn den Morgenſtunden beſucht ſie das benachbarte Feſtland und lieſt hier Regenwürmer und Kerbtiere auf, dur<ſtöbert auh wohl ſumpfige Stellen oder fliegt ſelbſt auf die Felder hinaus, um hier tieriſcher und pflanzliher Nahrung nachzugehen.

Sie brütet ebenſo wie die Roſtgans nur in Höhlen. „Wer Veranlaſſung hat, in der Nähe der Meeresküſte zu reiſen“, ſagt Bodinus, „wird ſih niht wenig wundern, wenn er, oft 3 km und weiter von der See entfernt, dieſen ſhönen Vogel in Begleitung ſeines Weibchens, man<hmal au< mehrere Pärchen, auf einem freien Hügel oder einem freien Plaße im Walde erbli>t, und dann plöglih verſhwinden ſieht. Würde er ſih an den bemerkten Platz begeben, ſo könnte er wahrnehmen, daß unſer glänzender Waſſervogel in den Shoß der Erde hinabgeſtiegen iſt, niht etwa deshalb, um ſi< über die Beſchaffenheit der dort befindlichen Fuchs-, Dachs- und Kaninchenbaue zu vergewiſſern, um, wenn jene Vierfüßer etwa ausgezogen ſind, ſih deren Wohnung anzueignen, nein, um neben ihnen ſeine Häuslihfeit einzurihten. Unleugbare, durch die erprobteſten Schriſtſteller beobachtete und nachgewieſene Thatſache iſt es, daß Fuchs und Berggans denſelben Bau bewohnen, daß der erſtere, der ſonſt kein Geflügel verſhont, an leßterer ſih niht leiht vergreift. So ganz ſicher iſt dies freilih nah meiner Beobachtung- nicht; denn ih ſelbſt habe neben einem bewohnten Fuchsbaue Flügel und Federn einer Berggans gefunden, wenngleih damit nicht bewieſen iſ, daß der Fuchs der Mörder geweſen ſei, da der Bau ſich in einem von Habichten bewohnten Walde befand, alſo einer der leßteren die Gans an dieſem verdächtigen Plaße