Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

674 Elfte Ordnung: Wehrvüögel; einzige Familie: Wehrvögel.

und kaum merkli<h na<h auswärts gekrümmt; der zweite, tiefer unten ſtehende Stachel nur 8 mm lang und faſt gerade, aber immer noch kräftig. Die weichen ſamtartigen Federn des Dbkerkopfes ſind weißgrau, gegen die Spiße hin ſ{<wärzli<h, die der Wangen, Kehle, des Halſes, des Nü>kens, der Bruſt, der Flügel und des Schwanzes ſ{hwarzbraun, die Achſelund großen Flügelde>federn grünlih metalliſ<h ſchillernd, die kleineren De>federn an der Wurzel lehmgelb, die des Unterhalſes und der Oberbruſt hell ſilbergrau, breit \<warz gerandet, die des Bauches und Steißes rein weiß. Das Auge iſt orangenfarben, der Schnabel ſchwarzbraun, an der Spitze weißlih, das Horn weißlihgrau, der Fuß ſchiefergrau. Die Länge beträgt 80, die Breite 202, die Fittichlänge 55, die Schwanzlänge 29 cm.

„Der Aniuma“, ſagt der Prinz von Wied, „bildet, als ein großer, ſhöner Vogel, eine Zierde der braſiliſhen Urwälder. Er iſt mir hier aber niht eher vorgekommen, als bis ih, von Süden nach Norden reiſend, am Fluſſe Belmonte den 16. Grad ſüdl. Br. erreicht hatte. Hier tritt er ſehr zahlreih auf. Er lebt bloß in den inneren Sertongs, von den Wohnungen der Menſchen entfernt. Jh habe ihn niht, wie Sonnini, in offenen Gegenden angetroffen, ſondern bloß in den hohen Urwäldern an den Ufern der Flüſſe. Hier hörten wir häufig die laute, ſonderbare Stimme, die einige Ähnlichkeit mit der unſerer wilden Holztaube hat, aber weit lauter ſ{hallend und von einigen anderen Kehltönen begleitet iſt. Zuweilen erbli>ten wir die Aniumas, wie ſie auf den Sandbänken an und in dem Fluſſe ſtolz einhergingen. Näherten wir uns ihnen einigermaßen, ſo flogen ſie auf und glichen nun durch die breite Fläche ihrer Flügel, durh ihre Farbe und ihren Flügel{<lag den Urubus. Sie fußten alsdann immer auf der hohen Krone eines dicht belaubten Waldbaumes, von wo aus ſie häufig ihre Stimme hören ließen, während man ſie ſelten jehen konnte. Jn der Brutzeit beobachtet man den Aniuma paarweiſe, im übrigen zu 4, 5 und 6 Stü vereinigt. Sie gehen nach ihrer Nahrung auf den Sandbänken im Fluſſe umher oder in den in jenen Ufern ſehr häufig vorkommenden, niht mit Bäumen bewachſenen Sümpfen. Die Nahrung ſcheint hauptſähli<h in Pflanzenſtoffen zu beſtehen; wenigſtens habe i<h 5—6 dieſer Vögel unterſucht und in ihrem Magen nur grüne Blätter einer Grasart und einer anderen breitblätterigen Sumpfpflanze gefunden.

„Das Neſt ſoll man in den Waldſümpfen unweit des Fluſſes auf dem Boden finden. Es enthält, nah Verſicherung der Botokuden, 2 große, weiße Eier und beſteht bloß aus einigen Reiſerhen. Die Jungen laufen ſogleih. Das Fleiſch liebt man niht; die Portugieſen eſſen es nicht, deſto gieciger die Botokuden. Die ſhönen großen Shwungſfedern benußt man zum Schreiben; die Shwanzfedern werden von den Wilden zu ihren Pfeifen verbraucht. Der gemeine Mann hat den Aberglauben, daß dieſer Vogel jedesmal zuvor das Stirnhorn ins Waſſer tauche, wenn ex trinken will.

„Marcgrave nennt den Aniuma einen Raubvogel, beſchreibt ihn übrigens gut und gibt auh die Stimme dur<h das Wort „Vihu‘ ſehr rihtig an. Er redet ferner von der Unzertrennlichkeit beider Gatten, wovon mir aber die braſiliſhen Jäger nihts mitgeteilt haben.“

Gezähmte Aniumas ſind zutraulih und folgſam, laſſen ſi< mit Hühnern zuſammenhalten und fangen ohne Not keinen Streit an, ſeven ſich aber gegen Hunde fofort zur Wehr und wiſſen ihre Flügelſporen ſo vortrefflih zu gebrauchen, daß ſie gedachte Vierfüßer mit einem einzigen Schlage in die Flucht treiben.