Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

690 Dreizehnte Ordnung: Roßvögel; zweite Familie: Emus.

Tiergarten um das Jahr 1830 beobachtete, brütete; ſeitdem hat man nicht bloß in dieſem Garten, ſondern auch in den meiſten übrigen Nachkommenſchaft erzielt. Jn Berlin züchtete Bodinus alljährlih mit we<ſelndem, meiſt aber günſtigem Erfolge. Nux das Männchen brütet, und zwar mit ſo außerordentlichem Eifer, daß es während der ganzen Zeit, 58 Tage lang, niht einmal Nahrung zu ſi< nimmt, wenigſtens niemals beim Freſſen beobachtet wurde. Die Grundſärbung der Jungen iſt ein reines Grauweiß; über den Nücken verlaufen zwei breite, dunkle Längsſtreifen, über die Seite je zwei ähnliche, die dur eine ſhmale weiße Linie getrennt werden. Dieſe Streifen vereinigen \ih auf dem Halſe und löſen ſih auf dem Kopfe in unregelmäßige Fle>en auf; zwei andere unterbrochene Streifen ſ{<müd>en den Vorderteil des Halſes und der Bruſt und enden in einem breiten Bande, das. ſih über den Senkel zieht. Das Weibchen des Berliner Tiergartens bekümmerte ſich niht nur niht um die Jungen, ſondern erwies ſih ihnen gegenüber ſogar ſo feindlich, daß es von ihnen getrennt werden mußte. Dafür übernimmt das Männchen alle Mutterpflichten mit rührender Hingebung, teilt unter Umſtänden gefährliche Schläge mit den wohlbewehrten Füßen aus und bekundet überhaupt lebhafte Erregung, ſolange die Jungen ſeiner Beihilfe bedürfen. Dieſe wachſen raſh heran, verſhmähen ſchon in der früheſten Jugend Stall oder Shußdach, laſſen ſi< anfänglih hudern, legen ſich ſpäter neben dem Vater nieder, ſreſſen, vom zweiten Tage ihres Lebens an, gierig und gedeihen um ſo beſſer, je mehr man ſie der Obhut ihres Vaters überläßt. Nah Verlauf von 3 Monaten ſind ſie halbwüchſig, na<h Ablauf von 2 Jahren völlig entwickelt.

Unter allen Kurzflüglern dürfte ſi<h der Emu am leichteſten bei uns einbürgern und, wenn man ſonſt wollte, als Parkvogel verwenden laſſen. Fn den meiſten Tiergärten macht man mehr Umſtände mit ihm, als er beanſprucht. Er verlangt im Winter höchſtens einen gegen den Wind geſhüßten Raum, niht aber einen warmen Stall, wie man ihm ſolchen gewöhnlih anweiſt. Ein männlicher Emu, den Gurney in Gefangenſchaft hielt, verließ während des ganzen Winters ſeinen Park nicht und ſchien von der Kälte wenig behelligt zu werden; auh blieb er ruhig auf dem Boden liegen und ließ ih einſhneien. Seine Ernährung verurſacht keine Schwierigkeiten; denn er gehört zu den anſpru<hsloſeſten Tieren, die ih kenne. Er wählt ſeine Nahrung vorzugsweiſe aus dem Pflanzenreiche, obwohl er tieriſhe Stoffe niht gänzlih verſhmäht, und nimmt mit dem einfachſten Körnerfutter und mit Grünzeug aller Art vorlieb. Fn Auſtralien ſoll er ſich zeitweilig faſt ausſ<hließli<h von Früchten ernähren.

Unter den Kurzflüglern iſt der Emu der langweiligſte. Bewegung, Haltung, Weſen oder das Betragen überhaupt ſind einförmiger als bei jedem anderen und ſeine Stimmlaute auh niht gerade anziehend; denn ſie laſſen ſi< eben nur mit dem dumpfen Geräuſche vergleichen, das man hervorbringen kann, wenn man in tiefem Tone dur<h das Spundloch einer hohlen Tonne ſpricht, wie Knaben zu ihrer Beluſtigung zu thun pflegen. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſi<h durch die Stimme; es gehört aber ein ſehr feines oder geübtes Ohr dazu, um dieſe Unterſchiede immer richtig zu deuten. Zu dem tollen Jagen mit pfeilſhnellen Wendungen und ſonderbaren Gebärden, wie wir es bei anderen Straußen bemerken, läßt er ſih kaum herbei. Er durchläuft Schritt für Schritt ſein Gehege, pumpt zuweilen ſeinen Stimmlaut hervor, wendet den Kopf langſam und gemächli<h na< re<ts und links und läuft und pumpt weiter, ſcheinbar, ohne ſi<h um die Außenwelt zu kümmern. Bei keinem mir bekannten Vogel täuſcht der Ausdru> des ſ{hönen hellen Auges mehr als bei ihm. Wer dem Emu ins Geſicht ſieht, wird ihn für einen klugen Vogel halten, wer ihn länger beobachtet, dieſer Auffaſſung ſicherlih bald untreu werden.