Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

694 Vierzehnte Drdnung: Strauße; einzige Familie: Strauße.

und hier, oft weit vom Ufer entfernt, bis an den Hals eingetaucht, längere Zeit ſtehend verweilen. Nachmittags weiden ſie wiederum, und gegen Abend ſuchen ſie an irgend einer geeigneten Stelle ihr Nachtlager, legen ſich mit zuſammengekni>ten Beinen auf den Bauch und ſchlafen, ohne jedo<h auch jet no ihre Sicherung zu vernachläſſigen. Vox drohenden Gewitterſtürmen legen ſie ſi< ebenfalls nieder, im allgemeinen aber lieben ſie Bewegung mehr als Nuhe. '

_Die ſtarken und behenden Läufe erſeßen dem Strauße zwar niht das Flugvermögen anderer Vögel, verleihen ihm aber doh eine Bewegungsfähigkeit, die wahrhaft in Erſtaunen ſet. Bei meiner Reiſe dur< die Bajuda überritt ih eine ſandige Stelle, auf welcher Straußenfährten ſih in allen Richtungen kreuzten. Man konnte an ihnen deutlich erkennen, ob der Vogel behaglichen Schrittes gegangen oder trabend gelaufen war. Jm erſteren Falle waren die Fußſtapfen 1—1 5, im leßteren 2—3 m voneinander entfernt. Ändersſon verſichert, daß der Strauß, gejagt und auf geringe Entfernung hin, die engliſche Meile vielleiht in einer halben Minute durchlaufen könne, weil ſeine Füße den Boden kaum zu berühren ſcheinen und jeder Schritt nicht ſelten 4—4,5 m weit ſei. Dieſe Angabe iſt gewiß übertrieben, wohl aber iſt es richtig, daß der Vogel wenigſtens bei kühler Witterung und auf niht zu lange Zeit mit einem Rennpferde an Schnelligkeit niht nur wetteifert, ſondern es überholt; das Wort der Bibel: „Zur Zeit, wenn er hoch ſähret, erhebt er ſi< und verlachet beide, Noß und Mann“, enthält alſo die vollſtändige Wahrheit. Bei ſehr eiligem Laufe breitet der Strauß ſeine Flügel, vielleiht weniger, um ſi< im Gleichgewicht zu halten, als infolge der Erregung, die ſih ſeiner unter ſolchen Umſtänden bemächtigt, und die er auh ſonſt in derſelben Weiſe zu bekunden pflegt.

Als den am beſten entwi>elten Sinn des Straußes hat man unzweifelhaft das Geſicht anzuſehen. Das Auge iſt wirkli<h \{<ön und ſeine Sehkraft erſtaunlih groß. Alle Beobachter ſtimmen darin überein, daß man aus dem Gebaren des Rieſenvogels deutlih wahrnehmen kann, wie er auf Meilen hin ſein na>tes Gebiet beherrſ<t. Nächſtdem ſind Gehör und Geruch am meiſten entwi>elt, Gefühl und Geſhma> aber wohl ſehr ſtumpf; wenigſtens läßt das Gebaren des Vogels hierauf ſ{ließen. Über die geiſtigen Fähigkeiten lautet das Urteil verſchieden; denn während einige Forſcher mit der Bibel übereinſtimmen, die ſagt, daß Gott ihm die Weisheit genommen und keinen Verſtand zuerteilt habe, rühmen andere die Klugheit, namentli<h die Vorſicht und Scheu des Vogels. J<h habe jahrelang mit Straußen verkehrt und muß ebenfalls der Bibel beipflichten. Meiner Anſicht nah gehört der Strauß zu den dümmſten, geiſtloſeſten Vögeln, die es gibt. Daß er ſehr ſcheu iſt, unterliegt keinem Zweifel: er flieht jede ihm ungewohnte Erſcheinung mit eiligen Schritten, würdigt aber ſ{<hwerli<h die Gefahr nah ihrem eigentlihen Werte, weil er ſi< au< dur< ihm unſchädliche Tiere aus der Faſſung bringen läßt. Daß ex unter den klugen Zebraherden lebt und ſi< deren Vorſicht zunuße zu machen ſcheint, ſpricht keine8wegs für ſeinen Verſtand; denn die Zebras ſchließen ſi< ihm an, niht er ihnen, und ziehen aus dem ſchon durch ſeine Höhe zum Wächteramte berufenen Vogel, der davonſtürmt, ſobald er etwas Ungewohntes ſieht, beſtmöglichen Vorteil. Das Betragen gefangener Strauße läßt auf einen beſchränkten Geiſt ſchließen. Sie gewöhnen ſi<h allerdings an den Pfleger und noh mehr an eine gewiſſe Örtlichkeit, laſſen ſih aber zu nichts abrihten und folgen blindlings augenbli>lihen Eingebungen ihres ſ<hwachen Gehirnes, Empfangene Züchtigungen ſ<hre>en ſie zwar für den Augenbli> beſſern ſie aber niht: ſie thun dasſelbe, wegen deſſen ſie beſtraft wurden, wenige Minuten ſpäter zum zweiten Male. Andere Tiere laſſen ſie gewöhnlih gleihgültig; während der Paarungszeit aber, oder wenn ſie ſonſt in Erregung geraten, verſuchen ſie, an ihnen ihr Mütchen zu kühlen und mißhandeln ſie ohne Grund und Urſache oft auf das abſcheulichſte. Ein männlicher zahmer Strauß, deu wir