Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Ungleiche Gefährlichkeit. Überfälle. Zähmbarkeit. Gavial, 491

zu verblüffen oder in Furht zu ſeben, ſo daß es ſeine Beute losläßt und ſi zurüdzieht. Au bei ſeinen Angriffen auf Tiere iſt es niht immer glü>li<. Als einmal Banniſter ſeinen Eſel durc den ſhmalen, aber in der Mitte recht tiefen Kinſembofluß in Niederguinea ſhwimmen ließ, tauchte plößlih ein mächtiges Krokodil auf, das dem Eſel nachfolgte, ihn am Schwanze pate und rü>wärts in die Tiefe zog. Gleich darauf kam der Eſel wieder zum Vorſchein und ſuchte eilig das Ufer zu erreihen; aber auch ſein Verfolger erſchien wieder, ſchoß hinterher und zog ihn abermals am Schwanze hinab. Das Opfer befreite ſih aber wiederum unter Waſſer, kam zur Oberfläche und hatte eben eine flache Stelle nahe am Ufer erreicht, als das Krokodil zum dritten Male den Schwanz zu erfaſſen verſuhte. Nun hatte aber der waere Eſel ſhon feſten Boden unter ſih und ſchlug ſo tüchtig nah hinten aus, daß ſein Feind, hart an den Kopf getroffen, ſogleich das Weite ſuchte. Selous war einmal glü>li< genug, im ſüdöſtlihen Sambeſigebiete einen wertvollen Hund aus dem Rathen eines Krokodiles zu erretten. „Wir jagten“, ſchreibt Selous, „gegen Abend am Gweniaflüß<hen auf Frankoline, als mein Hund „Vill“ der am Uferrande entlang lief, von einem mittelgroßen Krokodile jählings am Hinterteile gefaßt und unter das Waſſer gezogen wurde. Das Flüßchen war an der Stelle zwar kaum 2 m breit, aber tief, und ſein Bett wurde dur ſteile und hohe Uferbänke begrenzt. Jh ſah, was ſich ereignete, ſprang ſofort hinab und trat dicht an das Waſſer; im ſelben Augenbli>e kam auch „Bill‘ mit dem Kopfe über die Oberfläche, wurde aber wieder hinuntergezogen. Da ih den Körper des Krokodiles ſah, als es mit dem Hunde eine Wendung machte, feuerte ih zwei Schüſſe nah ihm, hoffend, der Knall würde bewirken, daß es ſein Opfer fahren ließe. Es geſchah jedo< niht. Nah wenigen Sekunden kam der arme Hund mit ſeiner Schnauze nohmals an die Oberfläche. Da faßte ih meine Flinte an den Läufen und hielt den Kolben hin, den „Vill“ au< wirklih mit den Zähnen pate und auf Leben und Tod feſthielt; der Schaſt des Gewehres zeigt no<h heute die Eindrü>e der Zähne. So konnte ih nun auc die Ohren des Hundes erfaſſen, zog mit meiner ganzen Kraft und brachte den Kopf des Krotodiles, das ſeine Beute nicht fahren laſſen wollte, über Waſſer. - Dorehill, der herbeigeeilt war und gerade über mir ſtand, feuerte einen Schrotſchuß in den Kopf des Ungetüms, worauf es losließ, verſank und nicht wieder geſehen wurde. Der gerettete Hund hatte zwar drei häßliche Fleiſhwunden erhalten, war aber nah kurzer Zeit wieder wohlauf.“

Von Jugend an gepflegt und entſprechend abgewartet, laſſen ſi< auc die Krokodile bis zu einem gewiſſen Grade zähmen, gewöhnen ſi< an den Pfleger und ſeinen Lo>ruf oder ein gegebenes Zeichen, öffnen den Rachen, um Futter zu empfangen / oder nehmen ſolches aus der Hand oder von einem vorgehaltenen Stäbchen entgegen, bekunden überhaupt mehr Verſtand als irgend ein anderes Mitglied ihrer Klaſſe.

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Schnabelkrokodile oder Gaviale (Gavialis) nennt man die Arten, deren obere Kinnlade nur vorn je drei Ausſcnitte zur Aufnahme der drei vorderſten Unterkieferzähne beſizt. Die Anzahl der Zähne {wankt von 27—29 in der oberen und von 25—26 in der unteren Kinnlade. Die Schnauze iſt außerordentlih \{<mal und lang, 9! /s—5!/zmal fo lang wie am Grunde breit und am Vorderende knopfförmig verbreitert; die beiden Schenkel des Unterkiefers ſind in einer außerordentli< langen Knochennaht vereinigt die nah hinten bis zum 283. oder 24. Zahne reiht. Den RNüen de>t ein Panzer von vier Längsreihen nebeneinander geſtellter, gefielter Knochenplatten; dem Bauchteile fehlen Knochenplatten.

Die einzige Art der Gattung iſt der Gavial oder Gangesgavial, in Jndien Gharial genannt (Gavyialis gangeticus, Tacerta gangetica, Crocodilus gangeticus.