Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

490 Zweite Drdnung: Panzere<hſen.

Berührung kein Lebenszeichen von ſi gebe, offenbar in dem Beſtreben, unbea<tet zu bleiben. Die Krokodile ſind eben, wie alle wilden Tiere, ſehr fur<htſam, wenn ſie niht dur< abergläubiſche Eingeborene kühn gemacht werden. Es mag Leſern, welche die Krokodile nur nach den Geſchichten beurteilen, die über ihre Furhtbarkeit in anderen Gegenden berichten, ganz unglaubli<h erſcheinen, wenn ich erzähle, daß ih geſehen habe, wie ein Fiſcher nah dem anderen in ein 4 m tiefes Gewäſſer hinabtau<hte, um ein über 2 m langes Krokodil das i< leiht verwundet hatte, am Shwanze zu faſſen und an die Oberfläche zu bringen. Erſt wenn der Mann, der das Tier gerade heraufgeholt hatte, es nac einer Klippe bringen wollte, wo ih mit einem Strike wartend ſtand, bog es ſi<h um, ſchnappte nach der haltenden Hand, wurde losgelaſſen und verſank wieder in die Tiefe. So wurde das Tier verſchiedene Male von je einem Taucher heraufgeholt, bis ih es endlih mittels eines Schrotſchuſſes tötete.“

Wie Sanderſon aus Jndien, ſo berichtet auh C. Sachs, der genau zwiſchen den gefährlichen und ungefährlichen Krokodilarten unterſcheidet, aus Venezuela, wie vertraut Dort die Leute mit ihren Panzere<hſen umgehen. Er ließ ein Stü eines Fluſſes ausfiſchen, als auf einmal das große Syleppneg feſthing. „Man hielt mit der Arbeit inne“, ſährt Sachs fort, „und beobahtete aufmerkſam das Nes, das von einem im Waſſer befindlichen Gegenſtande hin und her gezerrt zu werden ſchien. Man erklärte, daß ein Kaiman ſi in das Nes verwi>elt habe, und alsbald tauchte einer der Fiſcher unter das Waſſer, um das Nes zu befreien. Es dauerte eine volle Minute, ehe der Mann wieder auf der Oberfläche des Waſſers erſchien; währenddem lachten und ſcherzten ſeine Gefährten, ohne ſi über den Erfolg eines ſolchen Wageſtückes im mindeſten zu beunruhigen. Gewohnheit ſtumpft gegen alles ab; es gehört zu den häufigſten Vorkommniſſen bei Fiſchzügen, daß ein auf dem Grunde des Waſſers friehender Kaiman fi ins Net verwi>elt und dur eine untertauchende Perſon davon befreit werden muß, da ex ſonſt die Maſchen zerreißt. Als der Mann nah Erledigung ſeiner Aufgabe wieder ans Land gekommen war, fragte ih ihn, welches Mittel er denn habe, um etwaigen Angriffen des Kaimans zu entgehen. Jh erhielt eine Antwort, die ih geneigt war, als einen Scherz anzuſehen, obwohl alle Umſtehenden ihre Wahrheit beteuerten. Der Kaîiman, hörte ich, findet großes Vergnügen daran, an den Seiten ſeines Körpers, in der Gegend der Rippen, gekraßt und gerieben zu werden; im Genuſſe dieſer Empfindung ſtre>t er ſh behaglih aus und läßt alles mit ſi geſchehen. Man muß ſi< ihm von hinten nähern und mit der einen Hand beſtändig das Streicheln ausführen, während die andere Hand das Net von dem Tiere ablöſt.“ Six Emerſon Tennent, R. Paez und andere ſchildern ähnliche Vorkommniſſe, dur welche beſtätigt wird, daß die Panzerechſen durhaus niht überall fo fur<htbaxr auftreten, wie man glauben könnte. „Man wird ſih“, ſchreibt Pehuel-Loeſche, „allmählih an den Gedanken gewöhnen müſſen, daß auch die Krokodile niht immer die ſchre>li<hen Ungeheuer ſind, für welche man ſie gehalten hat. Von manchen Panzerechſen hat der Menſch überhaupt kaum etwas zu fürchten, und von den gefährlichſten Arten ſcheinen auh ſtets nur einzelne Stücke, ſo wie etwa unter den Tigern, ſih zu Menſchenfreſſern auszubilden; denn es iſt eine unbeſtreitbare Thatſache, daß nicht an allen Gewäſſern und niht an jedem beliebigen Orte, wo Tiere der nämlichen verrufenen Art hauſen, Angriffe auf Menſchen ſtattfinden. Auch die Krokodile handeln, je nah den äußeren Umſtänden, unter welchen ſie leben, verſchieden; ſie ſammeln Erfahrungen, bleiben fur<tſam oder werden verwegen. Man wird aber gutthun, überall an Gewäſſern, in welchen ſie leben, auf der Hut zu ſein; flache Uferränder mit unmittelbar angrenzendem, tiefem Waſſer ſcheinen am unſicherſten zu ſein.“

Auch ein vom Krokodile bereits ergriffener Menſch iſ nicht in allen Fällen verloren; gar mancher hat ſi ſelbſt aus den Zähnen des Näubers befreit oder iſt durch rechtzeitig geleiſtete Hilfe gerettet worden. Schnelle und entſchloſſene Gegenwehr ſcheint das Krokodil