Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Einteilung. Verbreitung. Leben8weiſe Fortpflanzung. 489

Alle Krokodile bewohnen das Waſſer, am zahlreichſten ruhig fließende Ströme, Flüſſe und Bäche, kaum weniger häufig Landſeen, gleichviel ob dieſe ſüß oder ſalzig ſind, ebenſo waſſerreiche Brüche und Sümpfe, unter Umſtänden ſelbſt die Küſtengewäſſer des Meeres. Das Land betreten ſie nur, um mit aller Bequemlichkeit von der ſie belebenden Sonne dur<hglüht, zu ſ{hlafen, um auf ihm ihre Eier abzulegen und endlih, um von einem verſiegenden Gewäſſer einem anderen, noh nicht vertro>neten Been oder Fluſſe zuzuwandern. Wird ihnen der Weg zu lang oder zu unbequem, ſo vergraben ſie ſih einfa<h in den Schlamm und verweilen in ihm, tro>enſchlafend, bis neue Waſſerfülle ſie wiederum zum Leben wacruft. Fn gleiher Weiſe ſollen ſie, laut Catesby, im Norden Amerikas, ins: beſondere in Carolina, auc der Kälte Troß bieten. Daß Krokodile, dur< Meeresſtrömungen verſhlagen, unfreiwillige Wanderungen machen, iſt durchaus nihts Seltenes. So wurde nah H. N. Ridley vor kurzem ein Leiſtenkrokodil auf den Kokos- oder Keeling-Jnſeln erlegt, das nur von Java, volle 700 Seemeilen weit, hergetrieben ſein konnte. Ähnlich wurde nach A. L. Caldwell im Fahre 1885 ein Krokodil an der Inſel Barbados ans Land getrieben, das zum mindeſten 300 Meilen weit, vom Orinoko, hergekommen fein mußte.

Wo Krokodile vorkommen, treten ſie regelmäßig in Menge auf, und alte und junge leben in erträglichem Frieden miteinander. Wirbeltiere aller Art, vom Menſchen bis zum Fiſche herab, niht minder auch verſchiedene wirbelloſe, insbeſondere Krebs- und Weichtiere werden den räuberiſchen Tieren zur Beute und nur ſolche, deren Größe oder Stärke die der zwar ſehr frehen, aber auh ſehr feigen Geſchöpfe erheblih überſteigt, haben von ihnen nichts zu befürchten. Sie bedürfen viel Nahrung, verſchlingen erheblihe Maſſen davon mit einem Male, behufs beſſerer Verdauung nebenbei ſelbſt gewichtige Steine, können aber wiederum auh monatelang faſten und erſcheinen daher gefräßiger, als ſie thatſächlih ſind.

Sämtliche Krokodile pflanzen ſi< durc Eier fort. Dieſe haben annähernd die Größe und Geſtalt der Gänſeeier und ſind mit einer feſten Kalfſchale von porzellanartiger Beſchaffenheit umkleidet. Das Weibchen legt zwiſchen 20 und 100 Eier in eine einfache, in den Sand geſcharrte Grube oder wühlt ſie in Sumpferde ein und bede>t ſie mit Stengelreſten und Laubabfall und ſoll, wenn auch nicht immer, ſo doch zuweilen den der mütterlichen Erde anvertrauten Schaß bewachen. Nach geraumer Zeit entſchlüpfen die von der Wärme gezeitigten Jungen und eilen nunmehr ſofort dem Waſſer zu. Fm Anfange ihres Lebens wachſen ſie raſh, nehmen bei reichlicher Nahrung, ſelbſt in Gefangenſchaft, alljährlih um mindeſtens 30 cm an Länge zu und find in einem Alter von 6—8 Fahren bereits fortpflanzungsfähig. Von dieſer Zeit ab ſcheint ihr Wachstum langſamer zu verlaufen; dafür erreiht es aber au< wahrſcheinlih erſt mit dem Tode ſein Ende. Wie hoch ſie ihre Jahre bringen, weiß man nict; daß ſie mehrere Menſchenalter dur<hleben iſt zweifellos.

Das bedrohliche und den Menſchen ſtets beeinträchtigende Auftreten der Krokodile, ihre rüdſichtsloſe Raubſucht, der empfindliche Scade, den ſie verurſachen, ruft den Herrn der Erde überall, wo niht blinder Glaube fie heilig ſpricht, gegen ſie in die Schranken, rechtfertigt ihre unnachſihtige Verfolgung und gibt ſie allgemah gänzlicher Vernichtung preis. Dem Menſchen ſelbſt werden übrigens auch die gefräßigſten Krokodile nicht unter allen Umſtänden gefährlich. Fn manchen Gebieten, und hier beſonders an einzelnen beſtimmten Stellen, fürchten ſih die Bewohner ganz außerordentlich vor ihnen, in anderen Gebieten wieder wagt man ſie in einer Weiſe zu behandeln, die kaum glaubli<h erſcheinen würde, wenn nicht tüchtige Gewährsmänner die Wahrheit verbürgten. Die wenigen Krokodile die in den Gewäſſern Maiſurs gefunden werden“, ſchreibt Sanderſon, „vergreifen ſich ſehr ſelten an Menſchen; Fiſcher, die ſih kaum um ſie kümmern, haben mi<h verſichert, daß ein Krokodil, auf welches ſie bei ihren Fiſhzügen ſtoßen, ſich ruhig auf dem Grunde halte und ſelbſt bei