Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Nilkrokodil: Jagdweiſen. Benuzßung. 519

faum 15 Schritt von mir entfernt, ein Krokodil von etwa 5 m Länge, kro<h langſam aus dem Waſſer heraus und legte ſih 6 m von mix auf dem Sande zum Schlafen nieder. Jh unterdrüdte alle Gefühle der Rache, um es zu beobachten, und gedachte, ihm nah einiger Zeit die wohlverdiente Kugel zuzuſenden. Ein Kranich, der erſchien, rettete ihm zunächſt das Leben; die Büchſe wurde auf dieſes mir wertvollere Tier gerichtet. Das Krokodil hatte den Knall vernommen, ohne ſi< ihn erklären zu können, und war ſo eilig wie mögli dem Waſſer zugeſtürzt; kaum aber hatte ih den erlegten Kranich herbeigeholt und meine Büchſe von neuem geladen, als es wieder, und zwar genau auf derſelben Stelle, erſchien. Jett zielte ih mit aller Ruhe auf ſeine Schläfen, feuerte und ſah mit Vergnügen, daß das Ungeheuer na< dem Schuſſe mit gewaltigem ſenkre<htem Sage aufſprang, ſhwer zu Boden ſtürzte und hier regungslos liegen blieb. Betäubender Moſchusgeruch erfüllte buchſtäblich die Luft über der ganzen Sandbank, und mein an deren anderem Ende ebenfalls im Erdloche ſizender Diener Tomboldo ſprang jubelnd aus ſeinem Verſte>e hervor, um mir die Bitte vorzutragen: „Beſter Herr, mir die Drüſen, mir den Moſchus für mein Weib, damit ih dieſem do< auh etwas mit heimbringe von der Reiſe“. Wir umſtanden das erlegte Tier, deſſen ganzer Körper noch zitterte und zu>te. „Nimm dich vor dem Schwanze in aht“, warnte Tomboldo, „und gib ihm lieber no< eine Kugel, damit es uns niht entrinne.“ Leßteres hielt ih nun zwar für unnötig, erfüllte jedo<h troßdein den Wunſch meines treuen Schwarzen, hielt dem Krokodile die Mündung der Büchſe beinahe vors Dhr und jagte ihm die zweite Kugel in den Kopf. Jn demſelben Augenblicke bäumte es hoch auf, warf uns mit dem Shwanze Sand und Kieſelſteine ins Geſicht, zu>te krampfhaft mit allen Gliedern und rannte plößlih, als ſei es unverwundet, dem Strome zu, alle Ausſicht auf Moſhusgewinnung vereitelnd. Nach Verſicherung von Heuglins wirkt in großer Nähe ein Schuß mit groben Schroten weit ſicherer als die Kugel. „Wahre Rieſenkrokodile“, ſagt mein Reiſegefährte, „haben wir mit der Büchſe durh und durch geſchoſſen, und ſie eilten trozdem behende dem Waſſer zu, bis ein Hagel von groben Schroten ſie auf der Stelle niederſtre>te.“ Auch nah Pechuel-Loeſches Erfahrungen bewährte ſih bis auf 30 und ſelbſt 40. Schritt der ſtarke Schrotſhuß beſſer als der Kugelſchuß.

Die erwähnten vier Moſchusdrüſen ſind es, die den heutigen Sudaneſen als der größte Gewinn erſcheinen, den ſie aus dem Leichname eines erlegten Krokodiles zu ziehen wiſſen. Man verkaufte ſie zur Zeit meines Aufenthaltes um 4—6 Speziesthaler, eine Summe, für welche man ſi< damals in derſelben Gegend zwei halberwachſene Rinder erwerben konnte. Denn vermittelſt dieſer Drüſen verleihen die Schönen Nubiens und des Sudan ihrer Haarund Körperſalbe den Wohlgeruch, der ſie ſo angenehm macht in den Augen oder beſſer in den Naſen der Männer und ſie in der That ſehr zu ihrem Vorteile auszeihnet vor den Frauen der mittleren Nilländer, die das wollige Gelo> ihres Hauptes mit Ricinusöl ſalben und deshalb mindeſtens dem Europäer jede Annäherung auf weniger als 30 Schritt verleiden. Dieſe Moſchusdrüſen geben dem ganzen Krokodile einen ſo durchdringenden Geruch, daß es unmöglich iſt, das Fleiſch älterer Tiere zu genießen. Jch habe mehrmals Krokodilwild verſucht, jedo<h nur von dem jungen Tiere einige Biſſen hinabwürgen können. Die Eingeborenen freilih denken anders; ihnen erſcheinen Fleiſh und Fett der Tiere als beſondere Leckerbiſſen. Durch die alten Schriftſteller wiſſen wir, daß die Einwohner von Apollonopolis ebenfalls gern Krokodilfleiſh aßen, die gefangenen Tiere vor dem Schlachten aber zuerſt aufhingen, ſie ſo lange prügelten, bis ſie jämmerlih ſchrieen, und hierauf erſt zerlegten. So viel Umſtände machen die heutigen Afrikaner nicht, kochen vielmehr das Krofodilfleiſh einfa<h in Waſſer und ſegen dieſem höchſtens Salz und Pfeffer zu.

Ein Krokodil, das ih vom Schiffe aus kurz vor unſerer Ankunft im Städtchen WolledMedinch tötete und mit mir nahm, fand ih bei meiner Nüctkunft von einem Fagdausfluge