Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

550 Dritte Ordnung: Schildkröten; erſte Familie: Lederſchildkröten

Umſchreibung anwendet: „Ein langſam ſchreitendes, auf dem Lande lebendes, niedriges, vierfüßiges Tier mit kurzem Kopfe, Schlangenhalſe, Trobkopfaugen, ohne Eingeweide, ohne Geiſt, doh mit tieriſher Stimme.“ Ariſtoteles ſchildert das Eierlegen, fügt aber ſeiner im Ganzen richtigen Mitteilung hinzu, daß die Mutterſchildkröte die von ihr gelegten Eier bebrüte, nah 30 Tagen zum Neſte zurückkehre, die Eier ausgrabe, die Schalen öffne und die Jungen dem Waſſer zuführe; er berichtet auch, daß die Schildkröten, wenn ſie von einer Viper gefreſſen hätten, hinterdrein Doſten genöſſen, um ihr durc die frühere Mahlzeit bedrohtes Leben zu retten. Plinius ſtellt alles ihm über die Schildkröten Bekannte zuſammen, zählt wie gewöhnlich alle Arzeneimittel auf, die aus den Beſtandteilen der Schildkröten angefertigt werden können, und bemerkt, daß es der verſhwenderiſhe und prunfſüchtige Carvilius Pollio war, der zuerſt verſchiedene Gegenſtände mit Schildpatt belegen ließ. Aelian weiß, daß der abgehauene Kopf der Seeſchildkröten ſih no< bewegt, beißt und mit den Augen blinzelt; er verſichert auh, daß die Augen der Schildkröten, mit denen er die Perlen verwe<ſelt, weit in die Ferne ſtrahlen, und daß dieſe glänzend weißen- und hellen Augäpfel, in Gold gefaßt, zu Halsbandſ<hmu> verwendet und von den Frauen ſehr bewundert werden. Pauſanius gibt an, daß auf dem Parthenoniſchen Berge in Arkadien Schildkröten vorkommen, aus deren Schale man vortreffliche Lauten verfertigen könne; daß man die Tiere aber niht wegnehmen dürfe, weil die dort wohnenden Leute ſie als dem Pan geweihete Geſchöpfe anſähen und ſhüßten. Fulius Capitolinus erwähnt beiläufig, daß in Rom kaiſerliche Prinzen in Schildkrötenſchalen gebadet wurden, und Diodorus Siculus endlich erzählt von den Shildkröteneſſern, die fleine im Weltmeere, aber nahe am Feſtlande liegende Jnſeln bewohnen und die ihre Eilande beſuchenden Seeſchildkröten in abſonderlicher Weiſe fangen. Dieſe Tiere ſind ungeheuer groß, kleinen Fiſcherkähnen vergleichbar, und gehen bei Nacht ihrer Nahrung nah, w9ogegen ſie am Tage im Sonnenſchein auf der Oberfläche des Meeres \ſ{lafen. Um dieſe Zeit ſhwimmen die Schildkröteneſſer leiſe herbei; einige heben das Tier auf der einen, andere ſenken es auf der anderen Seite, um es ſo auf den Rü>en zu werfen; dann bindet ihm einer ein Tau an den Schwanz und ſ{hwimmt dem Lande zu, während die übrigen die ſchwere Laſt ſchiebend weiter bewegen. Am Ufer angelangt, töten fie die Beute, verzehren alles Fleiſh, na<hdem ſie es an der Sonne hatten braten laſſen, benußen auh die Schilde als Kähne oder als Dächer ihrer Hütten.

G. A. Voulenger, dem wir auc in der Anordnung der Schildkrötsn folgen, zerteilt ſie in zwei Unterordnungen, in die der Moſaikſchildkröten und in die der Echten Schildkröten. Die Moſaikſchildkröten (Athecae), die in der Jeßtzeit nur eine Familie mit einer Gattung und Art bilden, zeihnen ſi< vor allen übrigen Schildkröten durch freie Wirbel und freie Rippen aus, die von dem aus moſaikartigen Platten gebildeten Außengerippe getrennt ſind. Dem Schädel fehlen abſteigende Fortſäße der Scheitelbeine.

Die Familie der Lederſchildkröten (Sphargidae) beſißt alſo keinen mit Hautſchilden gede>ten Panzer; außerdem ſind die Gliedmaßen zu Rudern umgeſtaltet, denen die Nägel fehlen, troßdem daß die Finger des Vorderfußes ſtark verlängert ſind. Den Finger- und Zehengliedern fehlen überdies beweglihe Gelenke.