Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Nahrung. Winterſchlaf. Fortpflanzung. Feinde. Gefangenleben. 549

Angriffe abprallen. Des Räubers Waffen treffen einen Felſen, und ſie ſind unter ihrem natürlichen Schilde ſo gede>t wie in der unzugänglichſten Felſenhöhle.“ Dieſe Säße ſind hübſch erdacht und geſagt, leider aber niht wahr. Schon Bechſtein, der Lacépèdes Werk überſeßte, maht darauf aufmerkſam, daß die Landſchildkröten in dem Jaguar, die Seeſchildkröten in den Haifiſhen Feinde haben, die ihnen wohl noh weit gefährliher werden können als der Menſch; wir aber wiſſen, daß niht allein der Jaguar, ſondern auch der Tiger und vielleiht noh andere größere Kaßen ſelbſt große Schildkröten, die Adjags, eine Art wilder Hunde, ſogar Seeſchildkröten überfallen und töten (Bd. IL S. 69), daß die Kaßen ſie umwenden, um ſie bequemer handhaben zu können, und dann mit den Tagen alle Fleiſchteile aus dem Panzer ziehen, daß Schweine ſie, ſolange ſie no< jung ſind, troß ihres Panzers ganz verſchlingen; wir wiſſen ebenſo, daß große Naubvögel, ſo namentlich der Bartgeier, die kleineren Arten von ihnen ergreifen, hoh in die Luft heben und ſo oft auf einen Felſen fallen laſſen, bis der Panzer zerſchmettert iſt, daß außer dieſem gewaltigen Raubvogel au<h Buſſarde und andere Falken, Raben und Reiher wenigſtens die Jungen verzehren. Welche Feinde die gepanzerten Tiere ſonſt no<h haben mögen, iſt zur Zeit niht bekannt; daß ihrer jedo<h mehr ſind als die angegebenen, unterliegt faum einem Zweifel.

Den Feinden aus der Tierwelt geſellt ſih faſt allerorten der Menſch zu. Wir dürfen die Schildkröten als die nüglichſten aller Kriectiere bezeichnen, weil wir niht bloß das Schildkrott der Seeſchildkröten vielfah benußen, ſondern auch das Fleiſch und die Eier von faſt allen Arten genießen und wohlſhme>end finden. Einzelne freilich riechen ſo ſtark nah Moſchus, daß wenigſtens wir Europäer uns mit den aus ihrem Fleiſche bereiteten Gerihten niht befreunden fönnen, andere hingegen liefern, wie bekannt, wirflih föſtliche Gerichte. Demungeachtet würde die Menſchheit wenig verlieren, gäbe es feine Schildkröten auf der Erde.

Seit uralter Zeit hält man Schildkröten in Gefangenſchaft. J< habe im Laufe der Jahre viele von ihnen gepflegt, mih jedo<h mit ihnen, die Seeſchildkröten vielleicht ausgenommen, niemals ſonderlih befreunden können. Sie ſind mir zu träge, zu ſtumpfgeiſtig, zu langweilig erſchienen. Doch gibt es Liebhaber, die auh an Schildkröten hohes Wohlgefallen finden, ſie mit Luſt und Liebe behandeln und ſie für anziehende und feſſelnde Gefangene erklären. Fhre Pflege erfordert übrigens mehr Sorgſamkeit und Verſtändnis, als man gewöhnlih annimmt. So groß ihre Lebenszähigkeit iſt ſo leiht erliegen ſie mancherlei Krankheiten, die in der Gefangenſchaft zumeiſt ihren Grund in mangelnder oder ungeeigneter Wartung haben. Wärme iſt die erſte und hauptſächlihſte Bedingung für ihr Wohlbefinden: hält man ſie in kühlen Räumen, in kaltem Waſſer, ſo gedeihen ſie nie. „Es wird“, ſagt JF. von Fiſcher, dem wir treffliche Beobachtungen und Mitteilungen über gefangene Schildkröten verdanken, „viel geſündigt gegen dieſe armen Tiere, indem man fälſhli< wähnt, daß die Zähigkeit ihres Lebens auch eine feſte Geſundheit vorausſee. Nein, die Schildkröten ſind für äußere, ſcheinbar unbedeutende Einwirkungen höchſt empfindlih. Sie leiden nur langſam. Und das iſt es, was zu glauben verleitet, daß ſie alles ertragen fönnten.“

Die Schriften der Alten geſtatten uns niht nur einen Einbli> in die damalige Kenntnis der Schildkröten, ſondern ſie enthalten au< mancherlei geſhi<tli<he Mitteilungen, die immerhin der Beachtung wert ſind. Wie leiht erklärlih, waren die in Ftalien wie in Griechenland häufigen Tiere den Alten wohl bekannt; demungeactet enthalten ihre Berichte Angaben, die wix gegenwärtig als Fabeln anſehen — ob immer mit Necht, bleibe dahingeſtellt. Cicero verſpottet den Dichter Pacuvius, weil er anſtatt des jedermann geläufigen und jedes Mißverſtändnis aus\{hließenden Wortes „Schildkröte“ die