Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

548 Dritte Ordnung: Schildkröten,

S<hne>en, Würmer und dergleichen; die Süßwaſſerſchildkröten leben meiſt von tieriſchen Stoffen und verzehren die verſchiedenartigſten Wirbel-, Weich: und Gliedertiere ſowie Würmer; doch gibt es zum mindeſten vier Gattungen in Fndien, die aus\<ließli<h Pflanzenfreſſer ſind. Die Seeſchildkröten nähren ſi< teils von Tangen und Seegräſern, teils von Krebſen, Ruderſhne>en, Quallen und anderen niederen Seetieren ſowie von fleinen Fiſchen. Einzelne Schildkrötenarten ſind gewaltige Räuber. Sie freſſen eigentli<h nur während der warmen Sommertage oder in den Gleicherländern während der Regenzeit, dem dortigen Frühlinge und Sommer, mäſten ſi< aber innerhalb weniger Wochen, laſſen dann allmähli<h ab, Nahrung zu ſi< zu nehmen, und fallen, wenn hier der Winter, dort die Dürre eintritt, in Erſtarrung und Winterſchlaf. Ebenſo verhält es ſi bei den wenigen Arten, die jahraus jahrein in Wäldern leben.

Der Winterſchlaf der Schildkröten iſt, wie W. W. Thoburn treffend bemerkt, niht eine den Tieren eigentümliche und erblihe Erſcheinung, ſondern ein ihnen aufgezwungener Zuſtand, der eintritt, wenn die äußeren Umſtände ihn erheiſhen. Dagegen ſprit dur<haus nict der Einwand C. C. Abbotts, daß zwar die Landſchildkröten Nordameriïas einen eigentlichen Winterſchlaf abhalten, daß aber die Süßwaſſerſchildkröten, obgleich ſie ſi ebenfalls meiſt eingraben, do< zu allen Zeiten au< im Winter thätig ſeien. So ſoll die Moſchusklappſchildkröte (Cinosternum odoratum) beim Austro>nen ihrer Winterherberge ſelbſt im Schnee nah dem nächſten Waſſer ziehen.

Bald nah dem Erwachen im Frühjahre beginnt die Fortpflanzung. Nach A. Agaſſiz gibt es au einige Arten, die erſt im Herbſte zur Fortpflanzung ſchreiten; gewiſſe SÜßwaſſerſchildkröten (Chrysemys) find erſt im 10. oder 11. Jahre fortpflanzungsfähig. JFhre Begattung währt oft tagelang. Bei allen ſigt dabei das Männchen auf dem Weibchen. Geraume Zeit ſpäter gräbt das befruchtete Weibchen niht ohne Vorſorge Löcher in den Boden, gewöhnlih in den Sand, legt in ſie die Eier und de>t ſie wieder mit einer Lage Sand oder Erde zu. Die Eier haben eine harte, kalkige und nur bei der Familie der Seeſchildkröten eine weiche, pergamentartige Schale, ſind bei gewiſſen Arten kugelig, bei anderen mehr länglih und verhältnismäßig nicht groß; das ölige Eigelb ſieht orangenfarben, das erſt bei großer Hite gerinnende Eiweiß grünlih aus. Viele Schildkröten legen kaum ein Dutzend, die großen Arten weit über 100 Eier. Die Mutter bekümmert ſi<h na< dem Legen niht um ihre Brut. Die Eier werden im Verlaufe von einigen Monaten gezeitigt; die Jungen kriechen meiſt nahts aus der Erde hervor und wandern nun entweder einem Verſte>e auf dem Lande oder dem nächſten Waſſer zu. Unzählige von ihnen werden von Säugetieren, Vögeln und anderen Kriechtieren aufgeleſen und vernichtet; die ungewöhnliche Lebensdauer von denen, die dieſem Schikſal entgehen, ſhüßt jedoch die meiſten Arten vor dem Ausſterben. Bei den Japanern gelten die Schildkröten als Sinnbild eines hohen Alters und der Glückſeligkeit, hinſichtlich des erſteren gewiß mit vollem Rechte.

Der franzöſiſche Forſcher Graf de Lacépède, der Ende des vorigen Fahrhunderts über Kriechtiere ſchrieb, nennt den Panzer der Schildkröten ein ebenſo trefflihes Haus wie eine Shußwehr, eine Burg, welche die Tiere vor allen Angriffen ihrer Feinde ſchüße. „Die meiſten von ihnen“, ſagt er, „vermögen, wenn ſie wollen, Kopf, Füße und Shwanz in die harte, knochige, ſie oben und unten bede>ende Schale zurü>zuziehen, und die Löcher ſind klein genug, daß die Klauen der Raubvögel und die Zähne der Raubtiere ihnen ſ{<werlich gefährlih werden können. Wenn ſie unbewegli< in dieſem VerteidigungSszuſtande bleiben, können ſie ohne Furt und ohne Gefahr die Angriffe der Raubtiere abwarten. Sie ſind dann niht wie lebende Weſen zu betrachten, die der Kraft wieder Kraft entgegenſeßzen und dur den Widerſtand oder den Sieg ſelbſt mehr oder weniger leiden;

ſondern ſie ſtellen dem Feinde nichts als ihren feſten Schild entgegen, an welchem Jeine