Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

DOA Dritte Ordnung: Schildkröten; erſte Familie: Lederſchildkröten.

die gemäßigten Meeresſtrihe und gelangt, dur<h Wind und Wetter, vielleicht au< Wandertrieb verſhlagen, zuweilen ebenſo an die atlantiſhen Küſten Europas wie an die der nördlichen Vereinigten Staaten oder Chiles, woſelbſt man ſie, hier wie dort, wiederholt gefangen hat. Selbſt in das Mittelmeer hat ſie ſi< in einzelnen Stücken verirrt. Über ihre Lebensweiſe wiſſen wir überaus wenig. Jhre Nahrung ſoll vorzugsweiſe, wo nicht aus\<ließlih, in Tieren, insbeſondere in Fiſchen, Krebſen und Weichtieren beſtehen. Nach der Paarung erſchien ſie früher auf den Schildkröteninſeln bei Florida oft in Menge, an den Sandküſten Braſiliens, nah Angabe des Prinzen von Wied, ebenſo in größerer oder geringerer Anzahl und legte dann unter denſelben Umſtänden wie andere im Meere lebende Schildkröten ihre Eier ab. Nach den vom Prinzen von Wied eingezogenen Erfundigungen ſoll jedes Weibchen in Zwiſchenräumen von etwa 14 Tagen viermal jährlih auf den Legepläßen erſcheinen und jedesmal 18 bis 20 Dutßend Eier zurü>laſſen. Dieſe Angabe wird dur eine Mitteilung Ti>ells wenigſtens mittelbar beſtätigt. Am 1. Februar des Jahres 1862 nämli<h wurde an der Küſte von Tenaſſerim in der Nähe der Mündung des Yefluſſes eine Lederſchildkröte, na<hdem ſie gegen 100 Eier gelegt hatte, von Fiſchern erſpäht und nach verzeifeltem Kampfe überwältigt. Nachdem man das rieſige Tier geſchlachtet hatte, fand man in ſeinen Eierſtöken no< über 1000 Eier in allen Entwi>elungsſtufen vor. Die Vermehrung der Lederſchildkröte iſt alſo jedenfalls ſehr bedeutend, und es muß daher Verwunderung erregen, daß man ſo ſelten mit ihr zuſammentrifft. Vielleicht verlieren wohl die meiſten im früheſten Jugendalter ihr Leben Die Zungen laufen, ſobald ſie ausgekrochen ſind, der See zu; hier aber bedrohen ſie, wie es ſcheint, noh mehr Feinde als auf dem Lande. Verſchiedene Raubfiſche vernichten die Brut in Menge, und ſo iſt die außerordentlihe Vermehrungsfähigkeit der Art ſicherlich höchſt notwendig, um den Beſtand zu erhalten.

Aus dem erwähnten kurzen Berichte Tick ells geht hervor, daß die Schilderungen älterer Schriftſteller von der Kraft und Wehrhaftigkeit der Lederſchildkröte niht übertrieben ſind. Jn dem erwähnten Falle fand inſofern ein verzweifelter Kampf ſtatt, als ſe<s Fiſcher von dem Tiere, deſſen ſie ſi< bemähtigen wollten, den Uferabhang hinabgeſchleppt und faſt in die See geriſſen wurden. Erſt nachdem andere Fiſcher zu Hilfe geeilt waren, gelang es, das rieſige Geſchöpf zu überwältigen und an ſtarken Tragſtangen feſtzubinden,; 10—12 Mann abex waren exrforderlih, um die ſhwere Laſt bis in das nahe Dorf zu tragen. Von drei Fällen, daß ſie die Küſte von Surinam beſucht habe und erlegt worden ſei, berichtet A. Kappler. Von einer Lederſchildkröte, die am 4. Auguſt des Fahres 1729 bei Nantes erbeutet wurde, erzählt de la Font, daß ſie ein entſebliches, auf eine Viertelmeile weit hörbares Geſchrei erhob, als man ihr mit einem eiſernen Haken den Kopf einſchlug. Weiteres über die Lebensweiſe des in allen Sammlungen ſeltenen Tieres iſt niht bekannt. Das Fleiſch wird nicht gegeſſen, weil man dem Genuſſe üble Folgen zuſchreibt, ja es an den Chagosinſeln für giftig erklärt.

Unſere zweite Unterordnung, die der Ehten Schildkröten (Thecophora), umfaßt alle übrigen Arten der Ordnung. Von den Moſaikſchildkröten unterſcheiden ſie ſih dadur, daß ihre Rü>enwirbel und Rippen unbeweglih miteinander verbunden und in Knochenplatten verbreitert ſind, die einen förmlichen Panzer bilden. Jhre Scheitelbeine tragen na< unten verlängerte Fortſäße. Der bei weitem größte Teil dieſer Schildkröten beſißt über dem knöhernen Panzer hornige Hautſchilde.

Die Echten Schildkröten teilen wir mit G. A. Boulenger wiederum in drei Reihen, von denen die erſte Reihe, die der Halsberger (Cryptodira), die zahlreichſten und