Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Allgemeines. Fang. Biſſigkeit. Nahrung. 621

erſtaunlichſten Schnelligkeit ihren Hals nach allen Seiten vorzuſchießen, größere Stücke für Badende geſährlih erſcheinen laſſe. Da einzelne der indiſchen Formen Panzer von 1,4 m Länge beſizen, hat dieſe Annahme durhaus nichts Befremdendes.

Das Fleiſh der Weichſchildkröten wird nicht überall gegeſſen, aber von allen, welche es verſucht haben, hoh gerühmt. Nach Baker liefert es eine ausgezeihnete Suppe. Minder ſhmadchaft ſcheinen die Eier zu ſein. „Von einer“, ſo bemerkt derſelbe Berichterſtatter, „erhielt ih mehr als 100 Eier, die in Eierkuchen verwandelt wurden, aber einen ziemlih ſtarken Beigeſhma> hatten.“

Über gefangene Weichſchildkröten haben wir nur wenige eingehendere Mitteilungen. P. Heſſe hielt am Kongo ein 7 cm langes Tierchen des afrikaniſchen Dreiklauers (Trionyx triunguis) längere Zeit in Gefangenſchaft. „Es war lebhaft und ſehr biſſig; wütend fuhr es auf den vorgehaltenen Finger zu und konnte troß ſeiner geringen Größe empfindlih zwi>en. Es biß ſi< ſo feſt, daß man es am Finger in die Höhe heben konnte. Es ſhwamm geſchi>t, bewegte ſi< aber auh außerhalb des Waſſers raſh. Legte man es auf den Rücen, ſo drehte es ſi mit Leichtigkeit um, indem es den Hals lang herausſtre>te, zurü>bog und als Hebel benußte. Kam es zum Atmen an die Oberfläche, ſo ſtre>te es nur die in einen weichen Rüſſel verlängerte Naſe aus dem Waſſer heraus. Jh fütterte es mit kleinen Schinkenſtü>chen, die es begierig verſhlang; anderes Fleiſch ſagte ihm weniger zu, und Pflanzenkoſt verſchmähte es ganz.“ Kelaart erwähnt, daß er eine auf Ceylon lebende Art (Emyda vittata) monatelang in einem Waſſerkübel gehalten, und daß ſie ungezwungen tieriſche Stoffe, Brot und gekochten Reis gefreſſen habe, bemerkt au, daß man ſie in den durhlöherten Raum der Fiſcherboote zu ſezen pflege, damit ſie hier mit den darin verbleibenden Reſten aufräume. Zu uns gelangen lebende Schildkröten dieſer Familie äußerſt ſelten; ih habe aber doh wenigſtens das noh niht beſtimmbare Junge einer Art geſehen. Es war ein allerliebſtes Geſchöpf, deſſen Augen hell, förmli< flug in die Welt ſchauten und deſſen Bewegungen an Zierlichkeit und Anmut die aller mir bekannten Süßwaſſerſchildkröten übertrafen. '

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Von der Familie der Weichſchildkröten berückſichtigen wir die Dreiklauer (Triony X), zu welchen 17 Arten gere<net werden. Der Rückenpanzer iſt äußerſt flach gewölbt, das Mittelfeld mäßig groß, der knorpelige Rand darum groß und ohne eine Spur von Randknochen , der Bauchpanzer kurz, mit ſ{hmalen Hinterlappen und ohne Klappen, ſo daß die Hinterbeine niht darunter verborgen werden können. Weiche und glatte Haut überzieht Kopf, Hals, Beine und Shwanz; nur auf den Vorderarmen bemerkt man einige [<huppenartige Querfalten. Jm Schädel iſt die Augenhöhle der Schläfengrube mehr genähert als den äußeren Naſenöffnungen, und die inneren knöchernen Naſenöffnungen münden zwiſchen den Augenhöhlen.

Nach G. A. Boulenger haben zum wenigſten drei, wahrſcheinlih aber alle Arten dieſer Gattung die Eigentümlichkeit, im Alter in zweierlei Formen aufzutreten, die ſih in der Weite und Stärke ihrer Kiefer unterſcheiden. Während alle Jugendformen ſcharfkantige Kiefer beſiben, zeigen die Alten entweder ſcharfkantige oder maſſige, zum Zermalmen eingerichtete, breite Kinnladen. Die erſteren nähren ſich vorzüglich von Fiſchen und Fröſchen, die leßteren ſcheinen ausſ<ließlih auf das Zermalmen von Süßwaſſerſchne>en und - Muſcheln eingerichtet zu ſein. Auch die Entwi>elung der Kaumuskeln iſt bei den Stücken mit breiter Kinnlade weit ſtärker als bei den Fiſhfreſſern. G. Baur hat die Beobachtung gemacht, daß bei einer der nordamerifaniſchen Arten (Trionyx muticus) das Weibchen die doppelte Größe des Männchens erreicht.