Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

A472 Achte Ordnung: Knorpelfloſſer; vierzehnte Familie: Stachelrochen.

man mix mitgeteilt, daß auf Manihiki ein großer Stachelroche, der ſi< an der Oberfläche des Waſſers ſonnte, ſehr in Wut verſeßt worden wäre, weil von einer überhängenden großen Kokospalme Blätter und Nüße auf ſeinen Rücken herabfielen. Fn ſeiner Erregung entſandte er einen Stachel nah dem vermuteten Feinde und traf damit eine Kokosnuß. Den Stachel eines anderen Nochen entde>te man an der einen E>e der Lehrerwohnung in Taunu; er ward herau3gezogen und an einen Händler verkauft. Au<h wurde mir verſichert, daß ein Stachel in einem Pandanusſtamme nahe am Rande des Waſſers gefunden worden ſei. Ein Eingeborener wurde in ähnlicher Weiſe dur<h das Dibein geſchoſſen; da ſih der Stachel aber auf der anderen Seite wieder herausziehen ließ, ſo heilte die Wunde unter ſorgfältiger Behandlung bald. Daher rührt au< der Warnruf, den die Fiſcher immer auf den Lippen haben: „Nehmt eu< vor dem Spieße in acht!“

„In Samoa gehörte es früher zu Malietoas Vorrechten, ſi ſeiner Feinde vermittelſt dieſes furhtbaren Stachels zu entledigen. Zu dieſem Behufe wurde der Stachel mit einem Meſſer in drei Teile geſpalten. Jeden Splitter nannte man „Aitu tangato‘, d. h. ein Menſchengott, mit der Bedeutung, daß die Götter des Menſchen Geſchi> in ihrer Hand halten und der Oberhäuptling Malietoa als ihr Stellvertreter handele. Gelangte ein ſolcher Splitter in den Rumpf eines Menſchen, ſo hatte er das Beſtreben, bei jedem Atemzuge des Verwundeten ſih wie eine Nadel immer tiefer einzubohren; war dann ein edler Teil erreiht, ſo trat ſiher der Tod ein. Das dabei beobachtete Verfahren war folgendes: Ein zuverläſſiger Vertrauter Malietoas erhielt die Weiſung, einen ſolchen Splitter aufrecht in die Schlafmatte des Opfers oder in das als Unterlage dienende Heu derartig zu ſte>en, daß der Betreffende, wenn. er ſih im Schlafe einmal umdrehte, den todbringenden Splitter einſtoßen mußte. Ein beſonders kühner Häuptling, der auf ſolhe Weiſe verwundet worden war, ergriff ſeine Keule, ohne zu ſeiner Umgebung ein Wort über ſein Vorhaben zu äußern, und folgte der Spur ſeiner Meuchelmördex, die mit großer Selbſtbefriedigung wieder ihrem Heimatsorte zuruderten. Todeswund eilte der Häuptling längs des Strandes hin, indem er immer das Boot im Auge behielt. An einer gewiſſen Stelle landeten jene, um ſih etwas zu erfriſchen, und ließen, weil ſie keine Ahnung von irgend einer Gefahr hatten, ihre Waffen im Boote. Beim unſicheren Lichte des Mondes trat ihnen, als ſie eben ans Ufer ſprangen, ihr Opfer entgegen und fragte, gemäß der Etikette, höflich, woher ſie kämen und was ſie vorgehabt hätten. Die Männer, welche die verſtellte Stimme des Häuptlings nicht wiedererkanuten, erzählten ihm die reine Wahrheit. Da erſchlug der Verwundete beide mit ſeiner Keule und kehrte wieder heim, um die Seinen von dem Geſchehenen in Kenntnis zu ſeßen. Nach Verlauf einiger Tage ſtarb der Häuptling, da es niht möglih geweſen war, den Splitter herauszuziehen, und die Überanſtrengung bei der Verfolgung der Meuchelmörder den Tod noch beſchleunigt hatte.

„Der Stachelroche gilt übrigens ſonſt als gewöhnliches Nahrungsmittel in der Südſee. Das Fleiſch iſt an ſeiner roten Farbe leiht kenntlih. Jn der Hervey-Gruppe nennt man dieſen Fiſch ſeiner Geſtalt wegen auh ,Tamanu‘, d. h. den Vogelgleichen. Gewöhnlich wird er von vorne oder von der Seite geſpeert. Ein Eingeborener aus meinem Dorfe, ein gewiſſer Araiti, der ſi in ſeinem Boote einem Stachelrohen von hinten näherte, wurde durch deſſen ſcharfen Stachel in der Magengegend getroffen und mußte an ſeiner Wunde ſterben. Seine Kinder gehen unter dem Namen „die Kinder Araitis vom Stachelrochen“. Kürzlich wurde von meinen Zöglingen ein ſolches Tier im Nege gefangen, und es fand ſich ein Stachel in einem der Korkſhwimmer des Netzes.“

Die Stachelrochen oder Stehrochen (Trygonidae) bilden eine hauptſählith durch tropiſche Meere verbreitete, aber verſchiedentlih auch in Landgewäſſern vorkommende, gegen 50 Arten zählende Familie. Alle hierher gehörigen Fiſche haben im allgemeinen