Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4
Seefiſcherei. Pflege. Anteil der Nationen. Süßwaſſerfiſcherei. 29
Noch immer wird die Klage laut, daß unſere Süßgewäſſer ärmer ſind an Fiſchen, als ſie früher waren, und von Jahr zu Fahr ärmer werden. Vielerlei Urſachen tragen hierzu bei. Fnfolge des ſteigenden Bodenwertes engt man die Gewäſſer mehr und mehr ein oder verdrängt ſie, insbeſondere die Laichpläße, gänzlih, indem man Brüche entſumpft und Südwaſſerſeen austro>net; die von Jahr zu Jahr ſih mehrende Anlage von Fabriken ſchafft den Laichfiſhen unüberwindliche Hemmniſſe in Geſtalt von Wehren oder vergiftet einen Bach, ein Flüßhen nah dem anderen; die Dampfſchiffe, die auf den größeren Strömen auf und nieder fahren, ſtören die Fiſhe und werfen eine Menge von Eiern und unbehilflihen Fungen auf den Strand, wo ſie rettungslos zu Grunde gehen; die Fiſcher vernichten mit den furz vor der Laichzeit gefangenen Fiſchen Millionen von Eiern oder Keimen zu neuer Bevölkerung. Die in den leßten Fahrzehnten außerordentlih veränderten Verktehrsverhältniſſe, welche die Seefiſcherei begünſtigen, tragen ebenfalls niht wenig dazu bei, den Beſtand der Süßwaſſerfiſche zu ſchädigen.
Bevor es noch Eiſenbahnen gab, hatte die falſhe Vorſtellung von der Unerſchöpflihfeit der Gewäſſer eine ſheinbare Berechtigung. Der Abſatz der raſch verderbenden Fiſche beſchränkte ſih auf ein enges Gebiet; die dem Bedürfniſſe genügende Menge von Fiſchen war leiht zu beſchaffen und rü>ſi<tsloſe Ausnußung der Gewäſſer ſo gut wie ausgeſchloſſen. Heutzutage verſendet man Fiſche viele hundert Kilometer weit und iſt ſhon infolgedeſſen niht mehr im ſtande, dem geſteigerten Bedarfe Genüge zu leiſten; die Verteuerung der Lebensbedürfniſſe wirkt ſelbſtverſtändlih au<h auf die Fiſcher, zurü> und zwingt dieſe, der Notwendigkeit des Augenbli>es gehorchend, ohne Nücſicht auf die Zukunft die Gegenwart zu verwerten. Engmaſchige Neße und unter Waſſer angewandte Sprengſtoffe, überhaupt Wahlloſigkeit der Vertilgungsmittel alter wie junger Fiſche ſind die Folge davon. Dem gewerbsmäßigen Fiſcher verkümmert der Fiſchdieb die ohnehin ſpärliche Beute, und der eine wie der andere will ernten, ohne zu ſäen. „Dem Nahrungsſtoffe gegenüber“, ſagt Karl Vogt, „der in Geſtalt von Fiſchen in den Gewäſſern umherſhwimmt, ſtehen wir ganz auf dem Standpunkte des Jägers und höchſtens auf demjenigen des Nomaden, der allenfalls für ſeine Herde geſicherte Ruhepläze ſucht, alles übrige aber dem Walten der Natur überläßt. Was dieſe uns ohne weitere Anſtrengung in den Gewäſſern liefert, beuten wir aus, ſo gut wir können. Fn den Süßgewäſſern legen wir höchſtens Fiſchteiche an, in denen wir meiſt den Fiſchen es überlaſſen, ihre Nahrung ſih zu ſuchen.“ Unſere Geſeßze ſind noch viel zu unvollſtändig, zu neu, zu wenig dem allgemeinen Bedürfnis entſprechend, als daß ſie allen erkannten Übelſtänden abhelfen könnten, und ſelbſt die zwe>mäßigſten Beſtimmungen werden nur allzu oft mißachtet, die gerehtfertigſten Ge- oder Verbote umgangen. Es iſt höchſte Zeit, eine fördernde Hand anzulegen, Fiſhſhonung und Fiſchzucht noh viel allgemeiner zu betreiben, um dem zunehmenden Notſtande ſoviel wie möglih zu begegnen. Leßteres iſt gewiß nicht leiht, aber doh keines8wegs unmöglich und wird bereits, wie ſhon angeführt, von tüchtigen Männern und Vereinen allenthalben angeſtrebt.
Unſere Fiſchereiordnung gibt im allgemeinen die zwe>entſprehenden Mittel an die Hand, um den Fiſchbeſtand zu heben. Sie verbietet Störung und Beunruhigung der Laichpläße und der Zugänge zu ihnen, ungeeignete, insbeſondere allzu engmaſchige Netze und andere ſ{hädlihe Fangwerkzeuge oder Fangmittel, die Ableitung giftiger Stoffe in Bäche und Flüſſe, ordnet die Anlage von ſogenannten „Fiſhpäſſen“ an, beſtimmt Schonzeiten der einzelnen Fiſcharten 2c., trifft aber einerſeits die Fiſcher hart und gewährt anderſeits bei weitem no< niht genügende Mittel, um die Ausführung des Geſetzes zu überwachen. So wird die gute Abſicht des Geſeßgebers zum großen Teile vereitelt werden, ſolange niht jeder einzelne beſtrebt iſt, zu gunſten aller Beteiligten zu wirken und zu handeln. Es wird daher von ſeiten der Regierungen mit vollem Rechte auf die Bildung von