Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

494 Elfte Ordnung: Röhrenherzen; einzige Familie: Lanzettfiſche.

Manche Naturforſcher unterſcheiden in der Gattung der Lanzettfiſche mehrere Arten. Berechtigtere Selbſtändigkeit als dieſe dürfte das Meſſerfiſhchen (Epigonichthys ceultellus), das von Peters zum Vertreter der beſonderen Gattung der Urahnfiſche Epigonichthys) erhoben wurde, beſißen.

Die Gattung unterſcheidet ſi<h von der der Lanzettfiſche dur<h einen merklih höheren Floſſenſaum auf dem Rü>en, in welhem Floſſenſtrahlen unterſcheidbar ſind, dur< das Fehlen der Schwanzfloſſe und durc die in der Mittelebene des Körpers, niht, wie beim Lanzettfiſche, einſeitig gelegene Afteröffnung.

Das Meſſerfiſhchen bleibt kleiner als der Lanzettfiſ<h. Es wurde in der MoretonBucht an der Küſte von Queensland geſunden.

Über die Fortpflanzung und Entwi>elung der Lanzettfiſche ſind wichtige Beobachtungen angeſtellt worden.

Kowalewski machte die Aufſehen erregende Entde>ung, daß das Lanzettfiſhchen in den weſentlichſten Punkten ſeiner Keimesgeſchichte mit den Seeſcheiden, zu den Manteltieren gehörenden Meeresbewohnern, übereinſtimme, die in dem Bauplan ihres Körpers von allen wirbelloſen Tieren den Wirbeltieren am nächſten ſtehen. Andere Forſcher, insbeſondere Hatſhek, haben unſere Kenntnis der Keimesgeſchichte der niedrigſten Wirbeltiere erweitert und vertieſt. Das Lanzettfiſhchen bildet im erſten Abſchnitte ſeiner Entwi>elung, gleich allen anderen einen Darm beſizenden Tieren, eine Darmlarve oder Gaſtrula; aber dieſe iſt niht, wie bei der großen Mehrzahl aller übrigen Tiere, umgebildet und ſ<wierig nahzuweiſen, ſondern ſtellt dieſe wichtigſte tieriſhe Keimesform noh nahezu in ihrer urſprünglichen Geſtalt dar, einem becher- oder eiförmigen, an einem Ende offenen, aus zwei oberflächlihen Leibesſchihten gebildeten Schlaue. DurÞh Wachstum und CEinfaltung dieſes Schlauches entſteht aus ihm das entwi>elte Tier, das, wie N. Hertwig ſagt, faſt nur aus vielfah gefalteten, von Stüßſchihten getragenen Dberflächenhäuten beſteht.

Das Meſſerfiſchchen dürfte ſih in ſeiner Entwi>kelung kaum vom Lanzettfiſhe unterſcheiden. So hat auch die Kunde der Entwikelung entſchieden, daß wir in dieſen ſonderbaren Geſchöpfen wirkli vor uns haben: die Endglieder der Wirbeltierreihe.