Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

B82 Uvtiere. Erſte und zweite Klaſſe: Jnfuſorien, Wurzelfüßer.

Die Panzergeißler (Dinoflagellata, f. Abbildung S. 681) haben feſte Hautpanzer von oft ſehr barocker Geſtalt und zwei Geißeln: eine der gewöhnlichen Geißel der Flagellaten entſprechende, in der Längsrichtung gelegene und eine quere, die in eine Furche des Hautpanzers eingeſchlagen werden kann.

Die intereſſanteſten Geißelinfuſorien ſind die Leu<httierhen (Cystoflagellata) oder Noktiluken. Jhr Körper hat die Geſtalt eines Pfirfihs, und von einer Einbuchtung

y desſelben aus erſtre>t ſi<h ein beweglihes geißelförmiges Organ hervor, womit das Weſen rudert. An dieſer Stelle iſt auch eine Mündung, dur< welche die Nahrungsſtoffe in das innere veränderliche Sarkodenebß aufgenommen werden. Gleich hinter der Eingangsöffnung findet ſi<h eine größere Anhäufung von Sarfkode, von welcher aus ſi< Fortſäße, welche vielfah ſi<h verzweigen und verbinden, dur< den ganzen Zellenraum ſi erſtre>en, um endli<h mit den immer feiner ‘ A - werdenden Zweigelhen an der Körperwandung ſi<h anzuLEE heften. Jn dieſes Net, welches in Form und Verhalten von dem Protoplasmaneß einer Pflanzenzelle niht zu unterſcheiden, wird die Nahrung aufgenommen, ſie muß mit der ſie umfließenden Maſſe wandern und wird von jener verdaut.

Die Vermehrung der Noktiluken geſchieht auf doppelte Art. Entweder ein Fndividuum teilt ſih einfa, oder aber es wird, nachdem es ſeine Geißel eingezogen hat, zu einer Kugel, ſein Fnhalt E zu Sporozoen oder Schwärmlingen, die ſih in Geſtalt etwa kleiner

_ NRitterhelme mit einer langen Geißel und einem cylindriſhen Fortſag loslöſen, einige Zeit ſ{<wärmen und zur Noktiluke werden.

Es gibt mehrere Formen oder Arten der Noktiluceen in den Meeren der gemäßigten und heißen Zonen. So wird die Nordſee von einer anderen Art (Noctiluca miliaris) als das Mittelmeer (Leptodiscus medusioides) bewohnt. Sie erſcheinen meiſt in ungeheuern Mengen, ſo daß ſie mitunter auf weite Stre>en eine bei Tage rötlih ausſehende Oberflächenſchi<t bilden. Bei Nacht leuchten ſie phosphoriſ<h und zwar unter denſelben Erſcheinungen wie andere Leucht-

Pyrocystis noctiluca. 100mal verge. tiere. Erregung des Waſſers und Reibung ihrer Kör: per ſteigert die Leuchtkraft.

Verwandt mit dieſen Weſen dürfte auh die vorſtehend abgebildete Pyrocystis noctiluca ſein, über die Sir Wyville Thomſon Mitteilungen gemacht hat. Als der „Challenger“ auf der Fahrt von Madeira nach der braſiliſchen Küſte war, beobachtete der genannte Forſcher, daß, als das Schiff weiter ſüdwärts kam, die Pyroſomen (S. 246) und die anderen größeren leuhtenden Meerestiere an Zahl abnahmen, und das vom Waſſer ausgehende Litht, obgleih es im ganzen genommen eher lebhafter als vorher war, wurde mehr diffus, ſo daß das Waſſer, wenn es in einem Gefäß geſchüttelt wurde, einen Schein von ſih gab, wie eine im Fnneren durch eine Flamme erhellte Milchglasklugel. Unterſuchte man etwas Waſſer in einem Trinkglas, ſo erſchien es einigermaßen trübe und bei näherer Beobachtung, wenn man es etwa gegen das Licht hielt, ſah man, daß es eine Menge kleiner dur<hſcheinender Körperchen enthielt, die im Dunkeln ein helles, weißes Licht ausſtrahlten, das ſehr lebhaft funkelte, wenn das Waſſer geſchüttelt wurde.