Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

694 Urtiere. Zweite Klaſſe: Wurzelfüßer; dritte Drdnung: Kammerlinge.

Sandes zählte ih 500 Nhizopodenſchalen, das ſind auf die Unze, zu 30 Gramm gerechnet, 1,500,000. Die Zahl d'Orbignys iſt demnah als weit übertrieben zu beſeitigen.

„Hat man den Reichtum des Küſtenſandes an Polythalamienſchalen erkannt, ſo liegt es nahe, unfern der Küſte auf dem Grunde des Meeres nah lebenden Exemplaren zu ſuchen. Bei Ancona, wo im Hafen, wie längs der nördlichen flachen Küſte ein ſtellenweiſe an ſolhen Schalen ſehr reicher Sand den Meeresboden bede>t, habe ih bis zu 20 Fuß tief an vielen Stellen kleinere Mengen desſelben geſammelt und in Gläſern längere Zeit aufbewahrt; jedo<h nie erhob ſi<h aus dem Bodenſage ein lebendes Tier an dex Glaswand kriechend, und die Unterſuchung des Sandes zeigte, daß nur wenige der zahlrei vorhandenen Schalen noh Neſte einer organiſchen Erfüllung enthielten. Als ih jedo< auf einer mit Algen bede>ten kleinen Felſeninſel ſüdlih vom Hafen nur wenige Fuß unter der Oberfläche des Waſſers, ja ſelbſt an Stellen, die zur Zeit der Ebbe faſt tro>en lagen, mit einem feinen Nebe ſchabend fiſhte, dann dur<h Schlämmen des erhaltenen Gemiſches von tieriſhen und pflanzlihen Teilen das leihter Suſpendierbare entfernte und den übrigen Sand im Glaſe ruhig ſtehen ließ, ſah ih ſhon nach einigen Stunden zahlreiche NRhizopoden an den Glaswänden in die Höhe kriehen, und die Unterſuhung des Bodens zeigte faſt ſämtlihe Polythalamien mit organiſcher Erfüllung und lebend. Ähnliche Erfahrungen machte ih auh bei Venedig. Die Unterſuchung des Lidoſandes führte mir, auh wenn derſelbe in einiger Entfernung von der Küſte geſammelt war, nie ein lebendes Exemplar in die Hände, während der mit Algen durhwachſene Lagunenſchlamm, nachdem er von den leiht zerſeßbaren organiſchen Reſten gereinigt war, mir zahlreiche lebende Rotalien, Milioliden und Gromien lieferte. Die Rhizopoden des Meeres ſcheinen demnach zu ihrem Aufenthalte am liebſten ſolche Stellen zu wählen, wo ihnen durch eine reiche Vegetation Shuß vor dem Andrange der Wellen, und ihren zarten Bewegungsorganen eine ſichere Stüße zum Anheſten geboten iſt. Hier finden ſie zugleih an den, den größeren und kleineren Seepflanzen ſtets anhaftenden Diatomen und Jnfuſorien eine reichliche Nahrung.“ Der Lieblingsaufenthalt ſehr vieler Polythalamien ſind Schvämme aller Art, wo ihnen Schuß und Nahrungszufuhr in no< höherem Maße gewährt ſind.

Ehrenberg hat ſhon vor mehreren Jahrzehnten viele Hunderte von Shlammproben unterſucht, die ihm von allen Meeren geſammelt worden waren, unter anderen auh aus den Tiefen von 10—12,000 Fuß, die bei den Lotungen zur Kabellegung erreiht wurden. Faſt regelmäßig bilden die Polythalamienſchalen davon einen bedeutenden Prozentſaß, was nah ihrem maſſenhaften Vorkommen an ſeihten Uſerſtellen niht befremden kann. Der Berliner große Naturforſcher fand häufig in ſolhen mit dem Lot emporgehobenen Schalen Reſte des weichen tieriſchen Körpers und glaubte daraus ſ<ließen zu dürfen, daß die Tiere wirklih „dort unten“ lebten und dur ihre maſſenhafte Vermehrung an Ort und Stelle zur allmählihen Ausgleihung der untermeeriſhen Thäler beitrügen.

Die neueren ſorgfältigen Unterſuchungen über die Tiefen und die Beſchaffenheit des Tiefſeebodens haben die außerordentliche Beteiligung der Polythalamienſchalen an der Vil: dung des Tiefſeeſhlammes von den arktiſchen bis zu den antarktiſchen Zonen beſtätigt. Außer anderen Gattungen, die einen geringeren Prozentſaß liefern, kommen beſonders Globigerina und Orbulina in Betracht, die erſteren aus Kugeln von zunehmender Größe zuſammengeſeßt (\. Abbild. S. 695), leßtere eine einzige regelmäßige Kugel bildend. Jhre Schalenreſte kommen über Tauſende von Quadratmeilen des Meeresgrundes in ſolchen Maſſen vor, daß ſie einen carakteriſtiſhen Hauptbeſtandteil des Bodenſates bilden, ſo daß man ſ<hle<thin von „Globigerinengrund“ und „Globigerinenſhli>“* ſpricht.

1 Mit „Schlick“ ſei das eñgliſche Wort „ooze“ überſeßt, während „mud“ Schlamm, „clay“ Thon bedeutet.