Charakterologie

Die Bedeutung der Rafjelehre 155

vorhanden aufweijen fönnen, jo hätten wir damit ja doch nur wieder ein frühes Stadium der Ausprägung, der Ridytung auf den auszubildenden Stil gezeigt. Es liegt gar fein Bedürfnis vor, die gegebenen Tatjachen, die alle im Sinalen liegen (d. h. in dem von der Natur eritrebten Ziel, in der Aus= prägungstihtung) durch ein hypothetiihes Kaufalmodell zu jtüßen, indem man ein Jdentijches jucht, das wir nicht jehen. Wenn man überhaupt das Schöpferiiche in der Natur rejpeftiert, muß man fich daran gewöhnen, in der jich jtändig wiederholenden Zieljegung der Natur etwas genügend Gejegmäßiges und Sundamentihaffendes zu jehen, das nicht noch oben= drein nach dem anorganiihen Modell: „Bejtimmte Wirkung nur aus ‚ent= Iprehender‘ Urjache” faujal rejtlos erflärt zu werden braudt. Außerdem ijt nad allem anzunehmen, daß eine jo frühe Stufe der Ausprägung, wie jie die vereinigte Samen- und Eizelle daritellt, unmöglich [yon die Stileigen= tümlichfeiten zeigen fann, zu denen hin jich die Natur ja erjt ausprägen will. Die vereinigte Samen= und Eizelle jtellt die Tebenseinheit dar, wie jie vor dem Wedhlelipiel mit dem Leben it; alle Rafjemerfmale aber find Geitalten, wie das Leben angegangen wird. Sie fönnen mithin erjt im Wechjeljpiel mit dem Leben zu ihrer von der Natur geplanten Ziel-geitalt ausreifen. (Die faßbare, tlare Geitalt, das „Einzelne“, „Differente” jteht, wie immer wieder gejagt werden muß, am Ende der Lebensvorgänge, nicht am Anfang.)

So jteht in der Rajjelehre ohne jede Stage eine der bedeutjamiten Cha= rafterlehren vor uns. Ganze Dölferichidjale, der Gang der Gejhhichte überhaupt wird erjt aus diefem Gejichtspunft heraus in vielem verjtehbar. Und von da wird auch der individuelle Charakter in ein neues Licht gerüdt. Da jede Rajje ihre eigenen höchjiten Möglichkeiten und Gefahren hat, jo ijt die Erkundung der rajjiichen Zujammenjeßung für Dolfserziehung und für die Erziehung des Individuums zum wertvollen Glied des Dolfes von entjchei= dender Bedeutung (Samilienforjhung). Und da der Wert einer Rajje nur auf einem biologijc gefunden Sundament zur Entfaltung fommt, jo jchließt die Rajjelehre von jelbjt die Sorderung nad) einer Erbgejundheitslehre in lich, [liegt den Gedanken einer Ausleje und Sörderung der gefunden Erbträger im Dolfe ein. So greift die Rajjelehre heute von allen Charafterlehren am tiefiten in das Leben des Doltes ein. An ihrer Sörderung und Dervollfommnung mitzuarbeiten ijt darum die Aufgabe jedes Sorichers, der nicht nur aus rein theoretijchem, fondern aus lebensverbundenem Interejje jic) dem Problem „menjchlicher Charakter” zuwendet.