Der Künstler zwischen Westen und Osten

und die individuelle Entwicklung IO7

Erst später, in den ästhetischen Briefen, fand er die richtige Mitte.

Goethe ‘mit seiner Auffassung der Pflanzen steht zwischen Stofftrieb und Formtrieb. „Die anschauende Urteilskraft,‘“ mittels der er zu dem Begriff der Urpflanze gelangt, kann sich nur betätigen, wenn sich der Mensch frei von den Nötigungen der Sinnlichkeit und der Vernunft hält. Sie vermag sich nur im Spieltrieb zu entfalten. Dazu ist Aktivität der Seele erforderlich. Man darf sagen: Die Metamorphosenlehre Goethes erzieht den Menschen zur Freiheit.

Wenn man dies begreift, kann es nicht mehr befremden, daß Rudolf Steiner, den man gerade in seinen naturwissenschaftlichen Schriften den Erfüller Goethes nennen darf, geistig-seelischen Verrichtungen in bezug auf das Pflanzentum so große Bedeutung zuschreibt, um in das Übersinnliche einzudringen.

Solche Übungen (wie sie beschrieben sind in dem Buche: „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?) sind eine Fortsetzung der Metamorphosenlehre. In noch erhöhterem Maße als diese befreien sie den Menschen von Naturtrieben und Gedankendogmen. Sie machen ihn stark, auf sich selbst zu stehen und in Freiheit den Weg zum Geiste zu suchen. Sie bilden ihn zum selbsttätigen Mitgliede jenes Staates, den Schiller den ästhetischen nennt. Daß dieser keine Utopie bleibe, hängt vom Willen der einzelnen ab, die sich zusammentun. Heute, wo im Westen Europas eine nutzlose Konferenz der anderen folgtund im Osten Hungersnot und Kannibalismus wüten, wo also jene Staats-