Der Künstler zwischen Westen und Osten

106 Schillers Staaisformen

Pflanzen abgibt, wird er sogar für Frauen empfehlenswert. Passivität den Blumen gegenüber kann nicht schlimme Folgen haben.

Wie reizvoll sind seine Briefe an Madame de Lessert. Aber ım Grunde lebt er doch nur mit seinen zärtlichen Empfindungen in den Beobachtungen, die er macht, nicht mit dem Geiste, der zum Wesen vordringt.

Gewaltig ist auch hier der Unterschied zwischen ihm und Schiller. Für diesen war sogar die Pflanze ein Wegweiser in die Zukunft. In der Vorlesung: „Etwas über die erste Menschengesellschaft nach dem Leitfaden der mosaischen Urkunde” sagt er:

„Er (der Mensch) sollte den Stand der Unschuld, den er... verlor, wieder aufsuchen lernen durch seine Vernunft und als ein freier, vernünftiger Geist dahin zurückkommen, wovon er als Pflanze und als eine Kreatur des Instinktes ausgegangen war; aus einem Paradies der Unwissenheit und Knechtschaft sollte er sich, wär’ es auch nach späten Jahrtausenden, zu einem Paradiese der Erkenntnis und der Freiheit hinaufarbeiten, einem solchen nämlich, wo er dem moralischen Gesetze in seiner Brust ebenso unwandelbar gehorchen würde, als er anfangs dem Instinkte gedient hatte, als die Pflanzen und Tiere diesem noch dienen.“

Rousseau, den man in mancher Beziehung einen Romanen mit östlicher Seele nennen könnte, neigt in seinem Pflanzenerlebnis nach dem zartesten Stofftrieb hin. Schiller in seinem zitierten Fragment, das in jene Periode zurückreicht, wo sein Geist noch westlich gerichtet war, mehr nach dem phantasievollen Formtrieb.