Der Künstler zwischen Westen und Osten

und die individuelle Entwicklung 105

Art, das heißt nicht durch den Willen, sondern durch die Empfindung, die er rationalistisch stützte, während der andere das goldene Zeitalter durch sinnlichkeitsund dogmenfreies Denken, das die Welt aktiv erfaßt, für spätere Geschlechter verwirklichen wollte.

Rousseaus reizbares, beinahe pathologisches Gemüt mußte den Vernunftsstaat verneinen. Er war zu empfindlich, um in Gesetzesformen leben zu können. Die Fülle seiner Gefühle ließ ihn der Täuschung verfallen, als ob die Natur ihm genügte. Dieser Täuschung verfallen heute noch, besonders in der Schweiz und gerade nach der großen Kriegskatastrophe, unzählige Naturen. Rousseaus Geistesart lebt, allerdings ins Philiströse umgewandelt, weiter. Man glaubt sich auf eine Wiese, die von Alpenkräutern duftet, legen und einschlafen zu können, um hernach von seinen Krisen geheilt zu erwachen. Aber, so ließe sich fragen, hat man sich dadurch fähig gemacht, die Gegenwart (und sich selber als Stück derselben, was man doch ist) zu ertragen oder gar zu verwandeln?

Rousseau verwarf unsere Zivilisation, indem er das goldene Zeitalter zurückersehnte. Er gelangte durch diese Sehnsucht, die sich nicht erfüllen ließ, in immer ärgere Misanthropie. Seine weltflüchtigen Gefühle bekamen gegen das Ende seines Lebens etwas Selbstzersetzendes. Er sah sich überall verfolgt. Er wurde in seiner Lebensweise wiederum in die Notdurft zurückgeschleudert. Als Natur bleibt er liebenswert. Wenn er sich mit