Der Künstler zwischen Westen und Osten

112 Schweizerische Natur-Geistigkeit

fung gebaut ist, bringe ich dem Wesen aller Wesen ein Opfer. Ich überschaue die ersten festesten Anfänge unseres Daseins, ich überschaue die Welt, ihre schrofferen und gelinderen Täler und ihre fernen fruchtbaren Weiden, meine Seele wird über sich selbst und über alles erhaben und sehnt sich nach dem näheren Himmel.“

Gefühle leben in Goethe auf, die ihn mit der Genesis verbinden, Schöpfungserlebnisse, wie sie Moses hatte auf dem Berge Sinai.

Ebenso wie sich Goethe in Wolke, Wasser und Gestein hineinlebte, gab er sich den menschlichen Verhältnissen hin, die ım Gelände der Urkantone noch ursprünglicher zutage traten als in dem Flachland. Er vergegenwärtigte sich die ökonomischen und geschichtlichen Bedingungen, die ihm das Werden der Schweiz nahebrachten. Er fühlte sich in das Idiom hinein, das ihn bis zum Mittelalter zurückführte. Er wurde vertraut mit dem Mythos. Was er derart aufnahm, Landschaft, Sitte, Sage, wollte er episch gestalten. Er berichtete Schiller darüber, erst schriftlich in Briefen, später mündlich in Gesprächen, und dieser erfaßte, was in Goethe als Empfindung getragene Anschauung lebie, mit dem formenden Willen und schuf das Drama, das die Begründung der schweizerischen Eidgenossenschaft verherrlicht: den. Tell.

In Goethe selber lebte sich das Geschaute und Erlauschte nachhaltiger, tiefgründiger, verborgener aus. Es ging, wie er Eckermann sagt, in die Anfangspartien des zweietn Teiles des Faust über. Wir finden die Ele-