Der Künstler zwischen Westen und Osten

und deutsche Dichtung 119

mentargeister der Urschweiz in der Erwachensszene wieder.

Als Goethe auf dem Gotthard stand, hatte er sich selbst in der gewaltigen Natur, dieihn umgab, gefunden. Er stand in Europas Mitte, wo er nach allen Richtungen, nach Westen, Osten, Süden und Norden zu schauen vermochte. Es war dies der Ort, der dem Geisterlebnis Schillers entsprach, als dieser das Bild des vollkommenen Menschen herstellte, indem er Stofftrieb und Formtrieb in Einklang brachte und den Trieb nach einem vergangenen, goldenen Zeitalter, dem noch Rousseau unterlag, überwand.

Beide Geister, Goethe und Schiller, schauten frei nach vorn. Man darf wohl sagen: der Geist der Urschweiz hatte sie vereinigt. — In den Alpen lebt noch manches an Naturgeistigkeit, das erwandert werden will.

Da stehen sie da,

die schweren granitnen Katzen,

die Werte aus Urzeiten: Wehe, wie willst du die umwerfen?

Nebelseen, E elskuppen, Eishörner und Schluchten entlockten Nietzsche die Probleme der fröhlichen Wissenschaft. Auf den Pässen Graubündens begegneten Conrad Ferdinand Meyer die Geister der Renaissance, als hätten sie sich in diese ätherklare Luft emporgeflüchtet, ihre Seelen zu läutern und ihre Schicksale in scharfen Konturen dem Dichter einzuzeichnen. Es waltet ein Urtrieb im freien Denker, den Geist am ewig Dauernden der Natur zu messen und darüber zu iriumphieren. Hegel, für welchen der Gedanke ein Ab-

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