Der Künstler zwischen Westen und Osten
2.46 “ Über die Jugendbewegung
ein heutiger Erzieher gegen „die Umwertung aller Werte” aus dagmatisch-traditionellen Gründen eifert, indem er zur Warnung moralische Nutzanwendungen auf tragische Schicksale macht, da läuft der junge Mensch hinweg. Er fühlt sich im eigenen Werden gehemmt. Er kann auf sein Anderssein, auf seine Originalität, auf seine Freiheit im Urteil, ob etwas gut oder böse ist, nicht verzichten. Kein junger Mensch, der nicht irgendwie durch ein geheimes Verbrechen frühzeitig gebrochen worden ist, wird die eigene Intuition zugunsten eines Dogmas aufgeben.
Die Naturwissenschaft, durch die, mit oder ohne Bewußtsein, die ganze Generation (auch der Bauer im hintersten Schachen) gegangen ist, hat dem Menschen ein intellektuelles Weltbild gebracht. Folge davon ist, daß er zum Freigeist geworden ist, der den Himmel entseelt glaubt.
Welcher naturwissenschaftliche Lehrer vermag seinen Schüler unter das Sternengewölbe zu führen und auszurufen:
„Hat der Himmel, haben die Sterne eine Stimme? Können sie Gott loben wie die Menschen? Ja, wir sagen eben, sie selber loben Gott, indem sie den Menschen Gedanken zum Lob Gottes darbieten. So lösen wir dem Himmel und der Natur in den folgenden Seiten die Zunge und lassen ihre Stimme lauter erschallen; und wenn wir das tun, so zeihe uns niemand vergeblicher, unnützer Mühe.“
So schrieb Kepler in der Einleitung zu seinem Jugendwerke „Mysterium Cosmographicum”.