Die Klassengegensätze von 1789 : zum hundertjährigen Gedenktag der grossen Revolution

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Pfründen, über die der König zu verfügen hatte, fielen ebenſo * ausſchließli<h dem Adel zu, wie die biſchöflichen und erzbiſhöflichen Siße. Und es waren gar fette Pöſtchen darunter. Die 131 Biſchöfe und Erzbiſchöfe Frankreichs hatten zuſammen aus ihren Stellen ein jährlihes Einkommen von mehr als 14 Millionen Livres, über 100000 Livres per Kopf. Der Kardinal Rohan, Erzbiſchof von Straßburg, bezog als Kirchenfürſt über eine Million Livres jährlih! Da durfte dieſer würdige Seelenhirt ſich ſhon den Luxus erlauben, ein Diamantenhalsband um 1400000 Livres zu kaufen, in der Erwartung, damit die Gunſt der Königin Marie Antoinette zu gewinnen.

Aber alle die ſo reih dotirten Stellen in der Kirche, der Armee, der Staatsverwaltung, bei Hofe, genügten no< niht dem theils habſüchtigen, theils verſchuldeten Adel, Jmmer wieder wurde der König beſtürmt, aus dem Vermögen des Staates dem Adel außerordentliche Zuwendungen zu machen, hier, um einen bedrängten Adeligen aus ſeinen Geldverlegenheiten zu befreien, dort, um der Laune eines hohen Herrn oder einex hohen Dame zu genügen.

Von 1774 bis 1789 allein wurden in dieſer Weiſe an Penſionen, Geſchenken und in ähnlicher Weiſe 228 Millionen Livres aus dem Staatsſchaß verausgabt, davon 80 Millionen für die Familie des Königs. Jeder der beiden Brüder des Königs hatte in dieſer Weiſe über 14 Millionen „erworben“. Der Finanzminiſter Calonne kaufte wenige Jahre vor dem Ausbru der Revolution, angeſichts eines rieſenhaften Defizits im Staatshaushalt, das Luſtſchloß St. Cloud um 15 Millionen Livres für die Königin, und Rambouillet um 14 Millionen für den König. Denn dieſer betrachtete ſih nicht blos als Staatsoberhaupt, ſondern auch als erſten unter den Grundbeſißern, und trug kein Bedenken, ſi< als ſolcher auf Staatskoſten zu bereichern.

Die Familie Polignac, die ſich der beſonderen Guuſt Marie Antoinette's erfreute, bezog allein Penſionen im Betrag von 700000 Livres. Der Herzog von Polignac erhielt dazu eine Leibrente von 120000 Livres und ein einmaliges Geſchenk von

1200000 Livres, ſi< damit ein Gut zu kaufen. *)

*) Ausführliche Angaben über dieſe Penſionen findet man u. A. bei Louis Blanc: Uistoire de la Révolution française, 3, Buch, 5. Kap.: Le livre rouge.