Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

12 Eee ee Perduhn, — um Platz zu machen für ebenso tatenirohe und sich ebenso wichtig dünkende neue Millionen, die dann wieder von neuem weiterspielen die gleichen Tragipossenspiele des Hasses und der Liebe. — Aber indem alle diese Myriaden, deren unermeßliche Selbstsucht sich Ewigkeit, Unsterblichkeit sich erträumt, ganz vergeblich dahinbluten, — schaffend und raffend —, da schwebt unsichtbar über ihnen das Götter-Sternengebot, davon sie so wenig ahnen, als die Zelle eines Organismus ahnt, woran zu weben auch sie von Natur und Leben vernutzt ward. Und mit all ihren Meinungen, Weisheiten, Lehren, Künsten, Gedanken und Geschäften erfüllen sie unbewußt nur das große Gebot der großen Meisterin: Der Not.

N ot peitscht die Entdeckungen und Erfindungen aus den Menschenseelen hervor, so wie Indiens Anitschablume oder das Blatt des Perückenbaumes nur dann zu duiten beginnen, wenn man sie zerreibt.

N ot preßt die tiefen dunklen Gedanken, die dunklen tiefen Schönheiten aus Menschenseelen hervor, wie hervorträuit das duftende Harz aus der Toluifer verwundetem Stamm oder wie holde Musik hervorbricht unter der Hand der die Saite meisternden Künstlerin. :

N ot erzeugt neue Tugenden und neue Lebensformen, wie die hungrige Raupe, eingesperrt in ein zu enges dunkles Gefäß, schnell sich einspinnt und Flügelchen hervortreibt, um als’ Schmetterling in einer neuen Sphäre aufs neue ihr Heil zu versuchen. Not erzüchtet menschliche Waffen und menschliche Rüstungen, wie an der Rose entstehen die Dornen, welche doch nichts Anderes sind als Knospen, die unter herzlosen Bedingungen nicht blühen konnten, sondern sich umbilden mußten zu Waffe und Stachel.

Not treibt Menschenwort hervor wie Menschenträne, gleichwie die Muschel Perlen bildet, wenn der Todeskeim in sie eindrang oder wie edle Spalierbirnen süße Früchte ansetzen, an der Spitze des Stammes, dann, wenn man die Wurzel verwundet... .. :

„Not erzüchtet den Geist: Dir wächst aus der Wunde die Waiie.“

(Inerescunt animi, virescit vulnere virtus.) Vergil.

Treten wir in einen Wald und betrachten das Wachstum

der Eichen, Tannen und Föhren, so bedenken wir nicht, daß nur darum all diese Stämme hinwollen zum Licht, weil einer den