Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

Die auch heute noch lebendigen Symbole (im ursprüng-

lichem Sinne dsZusammenfallens von Inhalt und Form) sind nichts anderes als Gesichte des Lebens, wie denn das Wort wissen (vid) ursprünglich immer ein Sehen bedeutete.

Die vermeintliche Wissenschaftsentwicklung bestand nun darin, daß das Sehen und die Seher verstarben, bis das natürliche Weltbild übergegangen war in die nur gedankliche Weltformel unsres rechnerisch vereinfachenden spekulativen Vernunitvermögens.

Ich will diesen Vorgang der Entnatürlic ch ung nunmehr in zehn Stufen zu schildern versuchen:

1. Das babylonische, hebräische, sumerische, ägyptische Weltbild sah die Erde als eine von Wasser umspülte Scheibe. Darüber war gestülpt eine. azurene durchsichtige Glocke: der Himmei und seine Lichter.

Dieses Weltbild war noch nicht real wissenschaftlich. Wenn ein bestimmter Ort als Mittelpunkt des Kosmos galt, so lag darin lediglich eine Wertung nach dem Grade lebenbildender Kräfte. Bei den Griechen hieß in diesem Sinn Delphi der Nabel (omphalos) der Erde; bei den Juden Jerusalem; bei den Babyloniern Babylon; bei den Inka das Nationalheiligtum in Kuzko. Noch heute heißt China das „Land der Mitte“.*)

2. Das mytische und symbolische Bild bleibt herrschend bis um 500 v. Chr. Da aber setzt ein die verstandesmäßige Kritik. An der Schwelle dieses Erwachens der Menschheit stehen iene großen Denker, die noch heute als fast sagen-

daß die Erde als eine vom Urgewässer umflossene und vom Himmel überwölkte Scheibe ruhig daliege im Mittelpunkte der Welt und daß diese

Dreiheit von Himmel, Wasser und Erde sich wiederspiegele in den drei ,

Göttergebieten Anul, Jubil und Ea.

Dazu bemerkt Jeremias in seinem „Handbuch der altorient. Geisteskultur“ (Leipzig 1913): „Es ist merkwürdig, wie das wissenschaftliche Weltbild gleichsam proiizirt wird auf das landschaftlich Sichtbare und wie die astronomischen Kenntnisse und Beobachtungen verdichtet und symbolisirt werden zu einem begreifbarem Bilde für das Auge. So werden Höhepunkt und Tiefenpunkt der Sonne (zur Zeit der Sommer- und Wintersonnenwende) als doppelgipfeliger Weltenberg dargestellt. Entsprechend den 7 Hauptgestirnen baut sich der Tierkreis in 7 konzentrischen Sphären spiralförmig zu einem Turme auf. Diese siebenstufigen Tempeltürme (Zikkurat) drücken den Babyloniern diese astronomischen Tatsachen wirklicher aus als unsere Tellurien und Maschinen.“

*) Es soll damit nur zesagt sein, daß uranische oder maznetische Kräite an diesen Stätten ihren Sammelpunkt haben. Nüchterne Männer, die Benares, Mekka, Lourdes, besuchten, bestätigen, daß die Herzenskräfte der Millionen an Wallfahrtsstätten solche Mittelpunkte schaffen. So ist das Sonnengeflecht und die regio umbilicalis Mittelpunkt vegetativen Lebens.

Ihe